Eine Rückblende in ältere M&R-Ausgaben seit dem Relaunch im Mai 2014.
Wir stellen ausgewählte Artikel aus unserem Archiv kostenlos online zur Verfügung.
M&R 2. Quartal 2022
Versagen der westlichen Linken: In der historischen Sackgasse
Ein Kommentar von Dmitri KowalewitschIm Westen glauben viele Menschen, dass der Krieg in der Ukraine Ende Februar begonnen hat – tatsächlich dauert er aber bereits seit acht Jahren an. Er begann 2014, als Freiwilligenbataillone radikaler Nationalisten und Neonazis entsendet wurden, um die aufständischen Bewohner von Donezk und Lugansk zu bekämpfen. Viele Menschen im Donbass, in der Mehrzahl Bergleute und Metallarbeiter, lehnten vor allem den entschiedenen Antikommunismus der neuen Kiewer Regierung und die Glorifizierung ukrainischer Nazikollaborateure aus dem Zweiten Weltkrieg ab. weiterlesen
Über soldatische Gewaltmenschen und Kinder
In memoriam Peter Eisler und Chilmi ShoushaIm Jahre 1996 ist das elfjährige palästinensische Kind Chilmi Shousha von einem jüdischen Siedler erschlagen worden. Das mag den Ausgangspunkt für folgende Reflexionen abgeben. »Was kann ich ihm bescheiden, womit soll das Kind gesegnet sein? – fragte der Engel«, heißt es in einem berühmten israelischen Lied aus der Zeit nach dem 1967er-Krieg. Leben – so geht es aus den weiteren Zeilen des Liedes hervor – war eine der dem Engel zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Segnung. Aber es gibt ja keine Engel. Und auch der Glaube, der sich immer noch mit dem letzten Rest seiner neurotischen Kraft um ein Anzeichen für Gottes Existenz bemüht, wird angesichts einer nicht abbrechen wollenden Katastrophengeschichte der Menschheit zunehmend schwieriger und komplexer – besonders dann, wenn sich jene Form mörderischen Grauens ereignet, das die Entfremdung des Menschen von Seinesgleichen gleichsam auf die Spitze der Barbarei zu treiben scheint: die Begegnung von soldatischen Gewaltmenschen und Kindern. weiterlesen
Auf Ostfrontlinie gebracht
Nationalistische Parolen, Geschichtsklitterung, Hassexzesse, sogar Begeisterung für den totalen Krieg – einer wachsenden Zahl von Künstlern und Intellektuellen ist offenbar jedes Mittel recht, um sich der neuen Volksgemeinschaft gegen Russland anzudienentombombenstimmung sollte aufkommen auf dem Bebelplatz am 6. März in Berlin. Und so war Yuriy Gurzhy intensiv bemüht, sie anzuheizen. Wenn er nicht gerade an einer Kompilation mit Nationalisten aus seinem Heimatland arbeitet, die der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA) – Kollaborateuren Hitlerdeutschlands im Zweiten Weltkrieg – huldigen, ist der Ukrainer Sänger und Gitarrist der keineswegs linken Band Rotfront. Gurzhy versuchte, die Teilnehmer der Kundgebung »Für eure und für unsere Freiheit« – initiiert von Gerd Koenen, Claus Leggewie und anderen Publizisten und gefördert vom Zentrum Liberale Moderne der grünen Neocons Marieluise Beck und Ralf Fücks – zu einem Call and Response zu animieren: »Russki korabl (Russisches Schiff) …!« schmetterte er zu stumpfem Discosound den ersten Teil eines Satzes dem Publikum entgegen, das mit dem zweiten Teil »… idi na chui (… fick dich)!« antworten sollte. Dieses Zitat stammt angeblich von einem der auf der Schlangeninsel im Schwarzen Meer stationierten ukrainischen Soldaten, die laut Propaganda der Kiewer Regierung am ersten Tag des russischen Angriffs lieber den Heldentod gestorben sein sollen, als sich zu ergeben (wie selbst die ukrainische Flotte bestätigte, sind in Wahrheit alle am Leben und in russische Gefangenschaft gegangen). Die wichtigste Botschaft stimmte Gurzhy einige Takte später an: »Flugverbotszone jetzt!« – objektiv eine Beschwörung des dritten Weltkriegs. weiterlesen
M&R 1. Quartal 2022
»Everlasting Love«
Kenneth Branagh bringt mit seinem neuen Spielfilm »Belfast« eine große Liebeserklärung auf die Leinwand – nicht nur an seine Heimatstadt. M&R traf den Regisseur und Schauspieler in HamburgIm Spätsommer 1969 hat die Eskalation des Nordirlandkonflikts Belfast erreicht. Aber der neunjährige Buddy, seine Eltern und sein Bruder Will genießen in der Arbeitersiedlung, in der sie wohnen – in Sandy Row oder sonstwo, der Ort ist nicht genau bestimmt –, noch ein recht unbeschwertes Leben. Hinter den Dächern der Häuserblocks sind die Kräne von großen Werften wie Harland & Wolff zu sehen, wo 1911 die Titanic vom Stapel gelaufen war. Die Entbehrungen und die Enge in den kleinen dunklen Wohnungen und Hinterhöfen, wo sich vorwiegend die Väter vor den Toilettenhäusern zum gemeinsamen Heimwerken, Rauchen und Bereden von »Männersachen« treffen, haben die Menschen zu einer solidarischen Gemeinschaft zusammengeschweißt. weiterlesen
M&R 4. Quartal 2021
»Wirklich ehren können wir sie nur, indem wir für eine sozialistische Gesellschaft streiten«
Moshe Zuckermann nimmt Abschied von Esther BejaranoSie wollte 2021 mit Moshe Zuckermann und anderen Freunden den 76. Jahrestag ihrer Befreiung in dem mecklenburg-vorpommerischen Städtchen Lübz feiern. Dort hatte es am 3. Mai 1945 auf dem Marktplatz ein Freudenfest gegeben: Die damals 20-jährige Esther spielte Akkordeon, ein Hitlerbild wurde verbrannt, sowjetische und US-amerikanische Soldaten fielen sich in die Arme und küssten sich. Die Feierlichkeit zur Erinnerung an diesen bewegten Tag musste pandemiebedingt verschoben werden und sollte 2022 stattfinden. Aber dazu wird es nicht mehr kommen – Esther Bejarano verstarb am 10. Juli im Alter von 96 Jahren. M&R sprach mit Moshe Zuckermann über ihre Leistungen, ihr Wirken und die Möglichkeiten, sie zu ehren und ihr Vermächtnis zu bewahren. weiterlesen
M&R 3. Quartal 2020
Ende des Schweigens
Der chilenische Regisseur Patricio Guzmán über seinen neuen Film »Die Kordillere der Träume« und die neue linke Protestbewegung in seinem LandPatricio Guzmán gilt als Großmeister des politischen Dokumentarfilms. In den Jahren 1972 bis 1979 drehte er seine berühmte Trilogie »Die Schlacht um Chile« über die dramatischen Ereignisse vor und nach der Wahl Salvador Allendes, den Militärputsch 1973 und die Folgen. Nachdem Pinochet an die Macht gelangt war, wurde Guzmán verhaftet; später lebte er im Exil zunächst in Kuba, danach in Spanien und Frankreich. Bis heute widmet er einen Großteil seines vielfach preisgekrönten Filmschaffens der Aufarbeitung der Diktaturzeit in seiner Heimat und den Traumata, die sie hinterlassen hat. M&R sprach mit Guzmán anlässlich des Kinostarts von »Die Kordillere der Träume« über die Entstehung seines neuen Films, die Kraft der Poesie und die Hoffnungen, die er in die gegenwärtigen Massenproteste in Chile setzt.
weiterlesen»Verändert die Welt, indem ihr bessere Kunst macht!«
Der Komponist Frederic Rzewski über seine politischen Werke, besondere Begegnungen und sein Wirken in der DDREr gehört seit Jahrzehnten zu den bedeutendsten linken Vertretern der Neuen Musik. 1938 in Massachusetts (USA) geboren, galt Frederic Rzewski während seiner Wanderjahre zu Beginn der 1960er in Europa als hochbegabter Pianist; ab den frühen 70ern wurde er auch als politischer Komponist bekannt. M&R sprach mit Frederic Rzewski über sein wohl berühmtestes Stück »The People United Will Never Be Defeated!« und andere Werke, seine Zeit in der DDR und fragte ihn nach seiner Botschaft an die Künstler in der Coronakrise. weiterlesen
M&R 1. Quartal 2019
Die wilde Jagd
Neofaschisten in der Ukraine rekrutieren mit Black Metal Kämpfer für ihre »Reconquista«Seit dem nationalistischen Maidan-Putsch von 2014 ist die Ukraine ein Pilgerort für militante Rechtsradikale aus Russland und Europa geworden. Faschisten aus Ost und West strömen in das Bürgerkriegsland, viele nur, um sich polizeilichen Ermittlungen in ihrer Heimat zu entziehen. Aber einige betrachten die Ukraine auch als Freiraum, wo sie ihre Neonazi-Projekte ungestört in die Realität umsetzen können. Darunter: Musiker aus Metalbands, die den Soundtrack zum Krieg liefern − und sogar selbst zur Waffe greifen. weiterlesen
M&R 1. Quartal 2017
Im Zug der wechselnden Zeiten
Internationalismus in Musik und Wort: Daniel Viglietti und Rolf Becker blicken zurück nach vorneEin Teil dieser Geschichte handelt davon, wie Wort und Musik in Beziehung zueinander treten; der andere, wie daraus Kunst entsteht. Entscheidend sind immer die Beteiligten, die allerdings von der Zeit abhängig sind, die über die Wirkung ihrer Kunst entscheidet. Das subjektive Wollen trifft auf das objektiv Machbare – ein kompliziertes Thema, von dem zwei Männer, der Liedermacher Daniel Viglietti und der Schauspieler Rolf Becker, mehr als nur ein Lied singen können. weiterlesen
M&R September/Oktober 2016
»Losgelöst von allen Wurzeln …«
Esther Bejarano und Moshe Zuckermann – Eine Wanderung zwischen den jüdischen Welten»So gehöre ich nirgends mehr hin, überall Fremder und bestenfalls Gast.« Diese Zeilen notierte Stefan Zweig Anfang der 1940er-Jahre angesichts der »furchtbarsten Niederlage der Vernunft und des wildesten Triumphes der Brutalität« über den Untergang seiner »Welt von Gestern«. Dieses Trauma sollte das jüdische Kollektiv, »losgelöst von allen Wurzeln«, prägen und zu neuen Ufern treiben. weiterlesen
Einst stolze Arbeiter
The Ruts besinnen sich auf alte Zeiten und den Punk zurückThe Ruts waren eine der eindruckvollsten Bands der zweiten Punk-Welle. Seit dem Herointod ihres Frontmanns Malcolm Owen macht die Band als The Ruts DC weiter und meldet sich nun mit neuem Material zurück. M&R traf die Gründer John »Segs« Jennings und Dave Ruffy in London. weiterlesen
Die jüdische Dimension
Juden, Judentum und Musik – im Spannungsfeld des Diasporischen und NationalenDas Thema Juden bzw. Judentum und Musik ist vorbelastet. Erörtert hat es zum ersten Mal (pseudo)theoretisch Richard Wagner im 19. Jahrhundert. Was er dabei zuwege brachte, war eine der bissigsten antisemitischen Schriften, die in der Frühzeit des modernen Judenhasses entstanden sind. So voller Vorurteile, klischee- und ressentimentgeladen indes Wagners Polemik war, muss herausgestellt werden, dass ihr ein historisches Wahrheitsmoment innewohnte. weiterlesen
»Kein Holocaust, kein Punk«
Steven L. Beeber über die jüdischen Ursprünge von PunkStammt Punk aus dem Judentum? Der US-amerikanische Journalist Steven L. Beeber hat in seinem Buch »Die Heebie-Jeebies im CBGB’s. Die jüdischen Wurzeln des Punk« erstaunliche Bezüge herausgearbeitet. M&R sprach mit ihm über die Jewishness der ersten Punkrocker und die merkwürdige Affinität einiger von ihnen zur NS-Ästhetik. weiterlesen
Wiederkehr des Verdrängten
Klezmer als Objekt von Ressentiment und FetischisierungBei Freud gibt es den Begriff des Unheimlichen: Etwas, das aus gutem psychischen Grund verdrängt worden ist, mithin im eigenen Unbewussten (also im »Heimischen«) erhalten geblieben ist, kehrt zum Bewusstsein als etwas Fremdes und doch entfernt Bekanntes wieder (was sein »Unheimliches« ausmacht). Die Klezmer-Musik darf als das Unheimliche der jüdischen aschkenasischen Kultur gelten, und zwar sowohl in Israel als auch in Deutschland. weiterlesen
»Never again«
Zur Annäherung experimenteller Musik an das UnbeschreiblicheBrüche, Auflösung, Leere, Verstörung. Intellektuelle musikalische Auseinandersetzungen mit dem Holocaust verweigern sich oftmals den konventionellen Hörgewohnheiten, weil sie das Unfassbare des Menschheitsverbrechens selbst in den Blick nehmen. Das gilt für die beiden Komponisten John Zorn und Meira Asher, die mit ihren Werken auf drastische und provozierende Weise mit dem Grauen der Shoah konfrontieren: Zorns »Kristallnacht«, eine Komposition in sieben Sätzen, erinnert an die Pogrome in Deutschland vom 9. November 1938 und handelt von »der jüdischen Erfahrung vor, während und nach dem Holocaust«. weiterlesen
»Sehr leise, langsam, in Beschämung«
Vor 50 Jahren kam Paul Dessaus Klagegesang über Deutschland zur UraufführungReichlich verspätet gelangte Paul Dessaus Oratorium »Deutsches Miserere« am 20. September 1966 in Leipzig zur Uraufführung. Der Komponist hatte sein ehrgeiziges Stück musikalischer Reeducation, das auf Texten Bertolt Brechts basiert und die Schuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg aufarbeitet, im April 1947, noch im US-amerikanischen Exil fertiggestellt. Aber anstatt wie erhofft einem Nachkriegspublikum präsentiert zu werden, harrte das pazifistische Chorwerk nach der Rückkehr Dessaus nach Ost-Berlin seiner Uraufführung. weiterlesen
Entfaltung des Grauens
Mondo Sangue über verkanntes Musikschaffen: Den Kannibalenfilm-SoundtrackWenngleich die blutrünstigen Kannibalen-Schocker der 70- Jahre nur von wenigen Kritikern zu den Höhepunkten des italienischen Kinos gezählt werden, haben sie doch eine eingeschworene Fangemeinde. Seit der Wiederveröffentlichung von Nico Fidencos Soundtrack zu »Nackt unter Kannibalen« im Jahr 1996 steht vor allem die eigentümliche Filmmusik im Zentrum des Fan-Interesses. Das Stuttgarter Duo Mondo Sangue, bestehend aus Christian Bluthardt und Yvy Pop, hat nun einen Soundtrack zu »L’Isola dei dannati« eingespielt – einem »verschollenen« Film, den noch nie jemand zu Gesicht bekommen hat. weiterlesen
M&R Juli/August 2016
Ansingen gegen die Angst
Billy Talent beschwören die verändernde Kraft des Rock’n’Roll und beweisen, dass Inhalte ohrwurmtauglich sein könnenBesaß Rockmusik jemals die revolutionäre Sprengkraft, die sie so gerne zelebriert? Vermochte sie die Welt zu verändern, und vermag sie es noch? Ian D’Sa, Gitarrist und Hauptsongwriter der kanadischen Alternative-Rockband Billy Talent, glaubt an den Rock’n’Roll. Er sei eine potenziell treibende Kraft für gesellschaftliche Entwicklungen, habe in den 50er- und 60er-Jahren gesellschaftliche Ketten gesprengt, in den 90ern mit dem Grunge Zeichen gesetzt und könne auch heute noch relevant sein – trotz all des nichtssagenden Gedudels um uns herum. Die Hymne zu diesem Credo findet sich unter den neuen Stücken: »Louder than the DJ«. weiterlesen
Für »Pedro, Maria, Juan und José«
Victor Jaras Diskurs: Daniel Viglietti, Uruguay, Konzertiert in der Casa de las AmericasDaniel Viglietti tritt vor sein Publikum im Sala Che Guevara der Casa de las Américas in Havanna. Dieser Konzertsaal ist ein echtes Schmuckkästchen, überdimensionale moderne Gemälde zieren die Seitenwände, die sechs Meter hohe Plastik »Der Lebensbaum« überstrahlt in Orange, Rot und Gelb die Grautöne im Hintergrund. Viglietti ist wegen des erstmals vergebenen Noel-Nicola-Preises nach Havanna gekommen – für Verdienste um das iberoamerikanische Lied. weiterlesen
»Ohne diese Träume wäre ich tot«
Gerardo Alfonso über Musik jenseits von Buena Vista, die Schwierigkeiten innerhalb der revolutionären Entwicklung Kubas und die Öffnung zum US-MarktGerardo Alfonso, Jahrgang 1958, gehört zur Bewegung der Nueva Trova Cubana (Neues kubanisches Lied). Die Nachfolger der großen Trovadores Kubas wie Carlos Puebla orientierten sich früh an den »Cantautores« (singende Autoren) genannten Liedermachern der »ersten Generation« wie – vor allem – Silvio Rodríguez und Pablo Milanés. Alfonso ließ sich zudem besonders inspirieren von der ländlichen Campesino-Musik ebenso wie von afrokubanischen Rhythmen und den Klängen der Karibik und Brasiliens. Auch nordamerikanische Entwicklungen in Jazz und Rock sog er auf. weiterlesen
Tania la música
Che Guevaras Mitkämpferin Tamara Bunke und ihre Musikkassetten. Eine AnnäherungBolivien, 31. August 1967, Vado del Yeso: Eine junge Frau, keine 30 Jahre alt, gerät bei der Durchquerung des Río Grande in einen Hinterhalt und wird erschossen. Sieben Tage später wird ihr Leichnam am Ufer angespült. Es handelt sich um Haydée Tamara Bunke, eine Deutsch-Argentinierin. Sie gehörte der Guerilla von Ernesto »Che« Guevara an. In Kuba wird sie bis heute verehrt, hierzulande totgeschwiegen: Hunderte von Schulen und Kindergärten, die in der DDR nach ihr benannt worden waren, existieren mittlerweile nicht mehr oder tragen einen anderen Namen. Und also verschwindet »Tania la guerrillera« aus dem kollektiven Gedächtnis. weiterlesen
Im Auftrag Washingtons
Zum Beispiel Los Aldeanos: Wie die USA versuchten, Kubas Hip-Hop-Szene für den Sturz der Regierung zu missbrauchenSie wollten nur Musik machen. Nicht irgendeine, sondern Rebellenmusik. In einem Land, in dem das Wort »Rebel lion« – wie sie meinen – zu oft missbraucht wird, sollte ihre Musik ausdrücken, was die junge Generation bewegt. Als Bian Rodríguez Galá und Aldo Rodríguez Baquero im Februar 2003 das Hip-Hop-Duo Los Aldeanos gründeten, wollten sie aufrütteln, protestieren und provozieren. Das gelang ihnen von Anfang an. Texte wie »Meine Arbeit lohnt sich nicht / Ich sehe keine Perspektive / Keine Zukunft hier für mich« trafen die Stimmung vieler Jugendlicher. weiterlesen
Zwei Kulturmodelle im Kampf
Wider die Oberflächlichkeit oder wie Kuba versucht, US-Pläne zur Vereinnahmung zu durchkreuzen. Ein Gespräch mit Enrique Ubieta
Ob jetzt die Yankees mit ihren Dollars – statt, wie in der Vergangenheit versucht, mit Waffengewalt und der Blockade – Kuba übernehmen, wollten wir von Enrique Ubieta wissen. Und Ubieta, ein nicht nur kulturpolitisch beschlagener Journalist, Essayist, Publizist mit einigem Gespür für gesellschaftliche Rahmenbedingungen, antwortete, dass »die USA nach wie vor nicht das Ziel aufgegeben haben, die Revolution zu beseitigen, jetzt aber mit anderen Mitteln agieren«. Die Kultur werde »das Hauptfeld der Auseinandersetzungen sein«, meinte der 57-Jährige, der die angesehenen Zeitschriften La Calle del Medio und Cuba Socialista leitet und zudem als Mitarbeiter des KP-Zentralkomitees fungiert. weiterlesenEinen Weg aus der Hölle finden
Kolumne aus DamaskusEs ist schwer, über Syrien zu sprechen, über ein Land, das, so die Vereinten Nationen, von der größten humanitären Krise seit dem Zweiten Weltkrieg betroffen ist. Noch schwerer ist es, etwas über das kulturelle Leben hier zu sagen. Auf der einen Seite finden schwere Kämpfe statt, unter denen vor allem die Zivilbevölkerung leidet, auf der anderen Seite versuchen die Menschen zu überleben und sehnen sich nach einem normalen Alltag. Daher ist es, wenn du in Damaskus wohnst, nichts Außergewöhnliches, dass du monatlich zu Dutzenden kulturellen Events eingeladen wirst: Theater, Kino – und natürlich auch Live-Musik. Eine Veranstaltungsreihe, die mich besonders interessiert, nennt sich »Laqona ala al-Tariq«, was so viel heißt wie »Trefft uns auf der Straße«. weiterlesen
Lawan Lupa – Gegen das Vergessen
Als der prowestliche Diktator Suharto vor 50 Jahren in Indonesien die Macht ergriff und einen Massenmord an Kommunisten anordnete, wurden auch linke Musiker Opfer der Gewaltexzesse. Heute tritt eine junge Künstlergeneration ihr Erbe anEs sind Klänge, bei denen es schwerfällt, die Füße stillzuhalten: forderndes Djembe-Trommeln, eindringliches Zupfen auf einer Geige, verstärkt von elektronischen Beats; dann eine Frauenstimme, die wehmütig einen Gesang in javanischer Sprache anstimmt. Das Lied »Gendjer-Gendjer«, das vor vier Jahren vom indonesisch- spanischen Künstlerduo Filastine (Nova Ruth und Grey Filastine) neu arrangiert wurde, ist rund 70 Jahre alt. Der Text handelt von Gendjer, einer wild wachsenden Blattgemüseart, damals als eine Speise der Armen bekannt. weiterlesen
Schrecklicher Wachtraum
Vor 200 Jahren entstand Mary Shelleys berühmter Roman »Frankenstein« – Sein Einfluss auf die Popkultur ist bis heute UngebrochenErst im letzten Jahr wählten die Engländer den Song auf Platz elf der beliebtesten Nummer-eins-Hits aus den 80ern: »China in Your Hand« (1987), das erfolgreichste Stück der englischen Band T´Pau. Was kaum jemand weiß: Der eingängige Popsong hat ein Ereignis zum Thema, das sich vor genau 200 Jahren zutrug und die Geburtsstunde moderner Science-Fiction- und Horrorliteratur markiert. weiterlesen
Bereitschaft zur Unterwerfung
Thomas Metscher über neoliberale Ideologie und die totalen Kulturverhältnisse der imperialistischen GesellschaftAngeblich ist die Zeit der großen Ideologien vorüber, und der Westen hat einen aufgeklärten, »postideologischen« Zustand erreicht. Das sieht der marxistische Kulturtheoretiker Thomas Metscher jedoch ganz anders. Zusammen mit Werner Seppmann und Erich Hahn hat der emeritierte Professor für Literaturwissenschaft und Ästhetik das Buch »Kritik des gesellschaftlichen Bewusstseins. Über Marxismus und Ideologie« veröffentlicht, in dem er materialistische Ideologie- und Kulturtheorie behandelt. Mit M&R sprach er über die Ideologie des Neoliberalismus und die Möglichkeit künstlerischer Opposition. weiterlesen
M&R Mai/Juni 2016
Nach der Perestroika
Vinyl feiert auch in Russland ein großes ComebackIn Russland existieren rund 60 Musiklabels. MIRUMIR, das zu den größten gehört, spezialisiert sich seit einigen Jahren auf Vinyl. M&R besuchte das Label in Moskau und sprach mit dem Geschäftsführer über seine Erfolgsgeschichte sowie Entwicklungen auf dem russischen Plattenmarkt. Seit etwa vier Jahren ist Igor Tichij (39) Executive Producer des Labels MIRUMIR Music Publishing. Darauf ist er stolz. »Wir sind die Martkführer Innerhalb der vergangenen dreieinhalb Jahre haben wir 241 Interpreten produziert, mehr als alle anderen Labels in Russland gemeinsam«, berichtet Tichij. weiterlesen
»Aus der schwarzen Dunkelheit«
Russische Arbeiterlieder – eine verlorene TraditionWarum sind ausgerechnet in einem Land mit revolutionärer Vergangenheit Arbeiterlieder fast voll ständig aus der Alltagskultur verschwunden? Arbeiterlieder entwickelten sich auf der Basis eines fortschrittlichen Zweigs des bäuerlichen Volksliedes, das Ideen von Protest und Revolte gegen Ungerechtigkeiten ausdrückte. Die ersten Arbeiter im Russland des 18. Jahrhunderts waren meist unorganisierte Leibeigene, die gezwungen waren, in die industriellen Zentren umzusiedeln. Neben ihrer eigenen Weltanschauung besaßen sie ein Liedrepertoire, das sich unter den neuen Umständen rasch zu wandeln begann. weiterlesen
»Keep On Keepin’ On«
Vom revolutionären Höhenflug zur Tragödie:
Die Redskins verschrieben sich dem Klassenkampf in Großbritannien und gingen mit dem großen Bergarbeiterstreik unterUnderground-Bands sind kriminelle Energieverschwender. Wenn sie etwas Wichtiges zu sagen haben, warum benutzen sie nicht jedes Podium, das ihnen zur Verfügung steht?« – So brachte Redskins-Bandleader Chris Dean den Gegensatz zwischen anarchistisch und marxistisch gesinnten Bands der Post-Punk-Ära auf den Punkt. Während Crass und Konsorten sich auf selbstverwalteten Bauernhöfen dem System zu entziehen suchten, wollten die Redskins mittendrin sein – in der Großstadt, in der Gewerkschaft, im Klassenkampf –, und sie wollten ihre Botschaft mithilfe der größtmöglichen Labels in die Charts bringen. weiterlesen
In Konflikt
Musik und gewerkschaftlicher Kampf in Luigi Nonos »La fabbrica illuminata«Wenn ich an die Begegnungen meines Lebens zurückdenke, glaube ich, ein Begünstigter zu sein und großes Glück gehabt zu haben«, so der italienische Komponist Luigi Nono (1924– 1990). Zu diesen Begegnungen zählt vor allem jene mit Arnold Schönbergs Tochter Nuria, die er 1955 heiratete, aber auch die mit seinem Kompositionslehrer Bruno Maderna, dessen Anliegen es war, »einem beizubringen, wie man Musik in der Vorstellung hervorbringt und sie ›denkt‹«. Nono umgab sich aber nicht nur mit zahlreichen künstlerischen Größen, sondern traf auch den kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro; in Kuba gebe es, so Nono, »eine unendliche Entschlossenheit, eine Lebensfreude […] gerade trotz der großen Schwierigkeiten«. weiterlesen
Offene Wunden
Vor 50 Jahren reflektierte Steve Reichs »Come Out« rassistische Polizeiwillkür»I can’t breathe«: Seit der Afroamerikaner Eric Garner 2014 im Würgegriff eines New Yorker Polizisten verstarb, gehören die letzten Worte des 43-jährigen Gartenbauers zur beharrlich wiederholten Parole auf Protestmärschen der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Initiativen wie Black Lives Matter schenken dem Opfer einer systematisch auf Diskriminierung angelegten Justiz so auch weiterhin eine deutlich vernehmbare Stimme. Vom Prinzip her ähnlich, nur auf dem Gebiet der Musik, hat dies der Komponist Steve Reich mit seinem Tonband- Stück »Come Out« getan, das er vor nunmehr 50 Jahren, am 17. April 1966, erstmals der Öffentlichkeit vorstellte: Ausgehend von einem O-Ton des 19-jährigen Daniel Hamm, ebenfalls Opfer grassierender Polizeigewalt, entwickelte Reich ein verstörendes Sound-Panoptikum, das die aufgeheizte und in Massenprotesten gipfelnde Stimmung in den USA der 1960er-Jahre denkbar treffend einzufangen wusste. Seit seiner Uraufführung ist das Werk zu einer Inkunabel der sogenannten Minimal Music avanciert; mit ihm schaffte es der damals knapp 30-jährige Reich, erstmals Aufmerksamkeit in der New Yorker Kunstszene zu erregen, bevor er mit größer besetzten Stücken wie »Drumming« oder »Music for 18 Musicians« in den 1970ern internationale Bekanntheit erlangte. weiterlesen
Analyse: »Sixteen Tons«
Historische Leiderfahrung»Sixteen Tons« ist ein von Merle Travis im Jahre 1947 veröffentlichter Country-Folksong, der sich in beeindruckender Weise sozialkritisch mit den Lebens- und Arbeitsverhältnissen US-amerikanischer Minenarbeiter befasst. Populär und, wie es heißt, zum »Millionenseller« wurde er durch die wohl bekannteste unter den hunderten, über Jahrzehnte entstandenen Coverversionen, nämlich Tennessee Ernie Fords Interpretation von 1955. weiterlesen
Mechanismen der Verdrängung
Das Musiktheaterwerk »Speere Stein Klavier« beleuchtet die deutsche Vergangenheit – Vorüberlegungen des KomponistenIn unmittelbarer Nähe zum Münchner Gasteig, in dem unser Musiktheater »Speere Stein Klavier« im Juni uraufgeführt wird, befindet sich die Zentrale der GEMA, ein Klinkerbau aus den 1980ern. Vor dem Haupteingang erhebt sich eine sieben Meter hohe, stilisierte Messingposaune: der Erich-Schulze-Brunnen. Schulze baute die Institution nach dem Krieg wieder auf – mit Wissen, das er in der Vorgängerorganisation STAGMA im NS-Staat erworben hatte. weiterlesen
M&R März/April 2016
Nicht alles ist verloren
Die Dichterin Jelena Saslawskaja über die Kulturlandschaft in den »Volksrepubliken« Lugansk und DonezkDie Dichterin und Spoken-Word-Künstlerin Jelena Saslawskaja ist Mitglied der Union der Schriftsteller der nicht anerkannten »Volksrepublik« Lugansk (LNR). Im Dezember vergangenen Jahres reiste sie nach Charkow in die Ukraine, um an dem Kongress »Debate on Europe: Reden über Zukunft. Perspektiven des Zusammenlebens in Konfliktregionen« teilzunehmen, der von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung mit organisiert worden war. M&R bat sie um ein Interview. weiterlesen
Glaubwürdigkeit ist wichtiger als alles andere
Tricky redet Klartext über Karrieristen und Duckmäuser im MusikbusinessAdrian Thaws alias Tricky ist ein Mann, der aus seinem Herzen keine Mördergrube macht. Auf seiner CD »Skilled Mechanics« arbeitet er einige Kindheitstraumata auf. Und im Gespräch verteilt der Brite, der in Berlin lebt, Seitenhiebe gegen Kollegen wie Kanye West. weiterlesen
Das Entern der Zukunft
Der italienische Futurismus und was von ihm bleibtDer Gesang der Zukunft endete mit dem Zweiten Weltkrieg. Als die Musikinstrumente des Futurismus – Luigi Russolos »Intonarumori« – bei Bombenangriffen auf Paris verbrannten und der führende Kopf der Bewegung, der Dichter Filippo Tommaso Marinetti, Ende 1944 am Comer See verstarb, erlitten auch die musikalischen Fantasien der Futuristen zwei so symbolische wie endgültige Rückschläge. Das Futur trug die in Mailand initiierte Bewegung seit dem 1909 von Marinetti verfassten Gründungsmanifest im Namen und sickerte von dort in die Untermanifeste der verschiedenen Kunstgattungen ein. weiterlesen
Sternensinfonien und Planetenträume
Science-Fiction-Kultur in der DDRIn der Science-Fiction der DDR und der osteuropäischen Volksdemokratien wur den die Propagierung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und das Vordringen in den Weltraum, in die Tiefen der Ozeane oder ins Erdinnere häufig verbunden mit der Vision von einer sozial gerechten Gesellschaftsordnung. Kosmische Kriege kamen kaum vor – die kommunistische Zukunft war geprägt von Frieden und Verständigung. Gelegentlich durften von der Erde entsandte Kosmonauten bedrängten Klassenbrüdern ferner Welten gegen ihre fiesen Ausbeuter beistehen. In späten Werken der DDR-Science-Fiction dominierten dann dystopische Elemente wie Weltkriegsgefahr oder drohende Ökokatastrophen. weiterlesen
»Wir spielen Musik für die Arbeiterklasse«
M&R-Fragebogen: The Baboon ShowEinfach mal über andere Dinge reden als über das neueste Album und die jüngste Tournee. M&R stellt Künstlern existenzielle Fragen, zielt auf Bekenntnisse und Geständnisse und führt sie auf politische und kulturelle Terrains, auf denen sie sich gewöhnlich nicht oder selten bewegen. Aber nicht nur das: Herum- und Herausreden gilt nicht! Wir nötigen zu knappen und klaren Statements. Für M&R sprach Stefanie Gengenbach mit Håkan Sörle von der schwedischen Punkband The Baboon Show. weiterlesen
Befreiender Lärm
Noise- und Drone-Künstler über die politische Dimension der GeräuschkunstFür manche ist es unerträglicher Krach, für andere die totale Befreiung künstlerischen Ausdrucks und ein Mittel, Menschen aus dem Alltagstrott zu reißen: In der Noise- und Drone-Szene schert man sich nicht um Rhythmen oder Melodien, gängige Normen des Musizierens werden abgelehnt und völlig ignoriert. Was Musiker meist tunlichst vermeiden, ist hier Programm: brachiales Getöse, Übersteuerung, ungeplant und intuitiv geformter Klang – jenseits tradierter Tonsysteme und -skalen, bar jeder Konvention. Grund genug, sich nach dem politischen Gehalt der Geräuschkunst zu erkundigen: Wie revolutionär ist der Lärm? M&R sprach mit internationalen Noise-Künstlern über die Motive ihrer Arbeit, ihre Klangkunst und das befreiende Potenzial des Krachs. weiterlesen
Vollendetes L’art pour l’art
Vor 80 Jahren erschien Walter Benjamins berühmter »Kunstwerk«-Aufsatz. Vor allem seine Thesen zur Ästhetik des Faschismus und imperialistischen Krieges sind erschütternd aktuellDer Faschismus hat eine der verstörendsten Horrorvisionen Realität werden lassen. Die »Selbstentfremdung« der Menschheit »hat jenen Grad erreicht, die sie ihre eigene Vernichtung als ästhetischen Genuss ersten Ranges erleben lässt«, lautet die wohl bitterste Diagnose des marxistischen Philosophen Walter Benjamin in »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit«. Der erstmals 1936 in der Zeitschrift für Sozialforschung veröffentlichte Essay zählt bis heute zu den bedeutendsten kulturkritischen Abhandlungen des 20. Jahrhunderts. weiterlesen
Im Rauschzustand
Vor 30 Jahren begann der Siegeszug des Techno.
Ein Essay über elektronische Tanzmusik und ihre VerdinglichungTechno war eine Revolution. Allerdings keine, die gegen die herrschenden Verhältnisse gerichtet war. Sie war, wenn schon, eine musikalische. Und heute? Der Wiener Elektrolabel-Betreiber Georg Lauteren alias DJ Glow sagt dazu: »Wenn ich heute 18-Jährige treffe, die sich für Musik interessieren, dann hören und machen die Techno, Drum’n’Bass oder vielleicht mal Hip-Hop. Das klingt alles nicht viel anders als vor 15 Jahren. […] Durch Internet, Computer und Digitalisierung, also durch die breite Verfügbarkeit von Produktionsmitteln, Informations- und Vertriebskanälen, haben sich tatsächlich so etwas wie globale Dörfer gebildet – differenzierte Subsubszenen mit ihren eigenen kulturellen Codes, von denen ab und an mal etwas in den Mainstream sickert. Die Revolution findet heute im Privaten statt.« weiterlesen
M&R Januar/Februar 2016
»Durch Nacht und Wind …«
Zur Darstellung von Flucht und Vertreibung in der MusikDie künstlerische Darstellung von Fluchtmomenten ist ihrem Wesen nach stets mit dem Problem konfrontiert, dass man nur schwer, wenn überhaupt, den Flüchtenden und die Fluchtursache bzw. den ihn zur Flucht Veranlassenden aus ein und derselben Perspektive zu erfassen vermag. Das lässt sich selbstredend von den allermeisten Gegenständen der menschlichen Wahrnehmung behaupten; Wahrnehmung ist immer zwangsläufig partiell. weiterlesen
»Kein Sound ist illegal«
Die Interventionen des Klangkünstlers Georg Klein hinterfragen Aspekte der gegenwärtigen FluchtdebatteBerlin, im Mai 2015: Aus dem Schaufenster eines ehemaligen Ladenlokals schaut man hinaus auf den breiten Bürgersteig. Sinuswellen interferieren im Raum. Draußen schlendern oder eilen Passanten in unterschiedlichen Formationen vorbei. Mit jedem Mal ertönt außen wie innen der variierend intonierte, gelegentlich gebellte Ruf: »Kein Sound ist illegal!« Die Tür zum Laden ist unverschlossen: Draußen, drinnen – ein Wechsel der Perspektive ist jederzeit möglich … Die Installation des 1964 geborenen Klangkünstlers Georg Klein provoziert auf der Folie der aktuellen Asyl-Debatte eine Auseinandersetzung mit Fragen von Partizipation und Privatheit, von aktiver Anteilnahme und Passivität. Und es ist nicht die einzige Arbeit, mit der Klein seinen Besuchern eine Standortbestimmung in politischen Themen abverlangt. weiterlesen
Unwille zur Empathie
Rapper Kaveh übt scharfe Kritik an der deutschen Hip-Hop-KulturKaveh aus Berlin hat in der Vergangenheit bereits mit antirassistischem und antiimperialistischem Politrap von sich reden gemacht. Mit M&R sprach der überzeugte Internationalist über sein viertes Album »Gegen den Strom«, die Entpolitisierung der Hip-Hop-Kultur und den »antideutschen« Rollback linker Subkultur. weiterlesen
Hinter den Kulissen von Paris
Nach den blutigen Anschlägen sind sich Politiker, Medien und Kulturschaffende weitgehend einig: Wir brauchen jetzt dringend mehr Kitsch, mehr Champagner – und natürlich mehr KriegDie Hauptstadt Frankreichs erfährt in diesen Tagen eine ungeheure mediale Verklärung. Seit die Mörder des sogenannten Islamischen Staats (IS) ihr Massaker in der Konzerthalle Bataclan vom 13. November als Reaktion auf »perverse Feiern« zu rechtfertigen versuchten, wetteifern Politiker und Medien der westlichen Welt bei der Fetischisierung ebenso verstaubter wie alberner Klischees. »Man hört ja gar nichts andres als ›Je t’aime, je t’aime, je t’aime‹« – mit diesen Verszeilen aus Peter Alexanders und Vivi Bachs Schlager »Paris war eine Reise wert« von 1961 lässt sich der Kitsch, der aus allen Kanälen dröhnt, auf den Punkt bringen. weiterlesen
Zum Singen gebracht
Genoël von Lilienstern lädt seine Zuhörer in die musikalische FolterkammerSein außergewöhnlicher Name verspricht Poesie, doch das neue Stück des Komponisten Genoël von Lilienstern versetzt sein Publikum in Schock: Die »Purple Dinosaur Variations« für drei Stimmen, vier Instrumente und Elektronik stellen eine Verhörsituation nach, die den Folterkammern der CIA entsprungen sein könnte. M&R sprach mit dem Komponisten über die Hintergründe seines neuen Werks, das versucht, musikalische Folter erfahrbar zu machen. weiterlesen
Bühne frei für die »Revolution«
Brutto, Nadeschda Tolokonnikowa, David Gilmour, Boombox, Viktoria Modesta, Neil Tennant, Juliet Stevenson u. a.
KOKO, London»Staging a Revolution« – eine Revolution inszenieren – lautete das vieldeutige Motto einer Reihe von Veranstaltungen in London. Darunter ein großes Konzert mit Musikern, die in ihren Heimatländern »verboten« seien. Es handelte sich um das 10-jährige Jubiläum des Freien Theaters Weißrussland, einer »radikalen Untergrund-Gesellschaft«, so die BBC, die das in mehreren Ländern ausgestrahlte Spektakel mit präsentierte. Das Freie Theater habe ein »einmaliges Aufgebot an Performern eingeladen«, so der auf Queen und Empire eingeschworene Staatssender weiter, »die für künstlerische Freiheit und gegen Ungerechtigkeit« protestieren. weiterlesen
M&R November/Dezember 2015
»This Is a Collective«
Über Kollektivität in der Musik und die Unmöglichkeit einer linken KulturindustrieDie US-amerikanische Band Consolidated war von 1988 bis 1994 aktiv. Sie mischte Industrial-Beats mit politischem Rap und verstand sich explizit als linksradikale Gruppe. Ihre Agenda: »This Is a Collective«. M&R sprach mit Ex-Frontmann Adam Sherburne über Musik als Form sozialer Organisation, den Antikollektivismus der Kulturindustrie und die Widersprüche linker Popkultur. weiterlesen
Synthese und Konkurrenz
Zur Dialektik von Individuum und Kollektiv in der KunstmusikInsofern das Individuelle und das Kollektive ein polares Gegensatzpaar bilden, darf behauptet werden, dass sich in der Musik das volle, von diesen gegensätzlichen Polen umfasste Spektrum abbildet. Musik kann zum einen sowohl für den Praktizierenden als auch für den Hörenden ein individuelles Erlebnis par excellence bewirken: Der vor sich hin summende Passant auf der Straße, das selbstvergessen trällernde Kind, der in der Feldeinsamkeit vor seiner Herde Flöte spielende Hirte wie denn der für sich selbst Klavier spielende Hausmusiker – sie alle kennzeichnet ein spezifisches Beisichsein, das in keinem anderen Kunstmedium so ausgeprägt ist wie in der Musik. weiterlesen
»Barbarisch«
Zur Ideologie des AntikollektivismusNoch nie war das Kollektiv so schlecht beleumundet wie heute. Dabei wäre gesellschaftliche Arbeit und damit das Projekt Mensch und dessen Eintritt in die Geschichte ohne Kollektiv gar nicht möglich. Als politisches, so die Definition von Wikipedia, sei es ein »soziales Gebilde mit fortschrittlichen und gemeinsamen Zielen«, für deren Erlangung »sich freiwillig organisierende Mitglieder durch gemeinsame Arbeit miteinander verbunden sind«. Marxisten entwarfen auf Basis der demokratischen und egalitären Prinzipien der Räterepublik das sozialistische Kollektiv ohne hierarchische Autorität. weiterlesen
Generation Biedermeier
Warum nur der Neoliberalismus den Hipster hervorbringen konnteDer Song »Berlin Mitte Boy« war die erste und einzige Veröffentlichung der gleichnamigen Band, einer kurzlebigen Formation um den Frontpage-Herausgeber Jürgen Laarmann. Die Cover-Version des Titels »New York City Boy« von den Pet Shop Boys beginnt mit den Zeilen: »London is teuer / Paris is scheiße / New York ist retro, auf seine Weise / Es gibt einen Ort, der kickt total / Wenn Du nicht dabei bist / ist Dein Leben ‚ne Qual«. Tobias Rapp, Autor des Buchs »Lost and Sound. Berlin, Techno und der Easyjetset«, meint im Rückblick: »Der Charme des Songs bestand damals in der unglaublichen Anmaßung. Im Jahr 2000, als er erschien, war es ein Witz, Berlin mit New York, Paris und London in eine Reihe zu stellen, gar ›Hackescher Markt statt Broadway‹ zu singen. weiterlesen
Feindbild »Intelligenzflüchtling«
Viele Kampagnen gegen rechts sind mehr Unterschichten-Bashing als Solidarität mit den FlüchtlingenSolidarität mit geflüchteten Menschen steht derzeit hoch im Kurs. Es wird dringend notwendige Unterstützung durch zahllose Helferhände an Bahnhöfen oder in Erstaufnahmelagern geleistet. Vor allem aber übt sich der »Willkommensweltmeister« Deutschland in einem: Selbstlob. Viele der Hilfsbereiten entdecken – aus ganz unterschiedlichen Motiven – plötzlich ihre Empathie für »den Flüchtling«. Politiker äußern sich öffentlich, und auch Musiker sind deutschlandweit vorne mit dabei – mit ihren Liedern. Flüchtlinge werden zu Konzerten eingeladen, beispielsweise bei den Fanta 4 oder Udo Lindenberg. Lieder werden komponiert (etwa Raoul Haspel: »Schweigeminute (Traiskirchen)«), neu interpretiert (Carolin Kebekus: »Wie blöd du bist«) oder aus der Schublade gekramt (Die Ärzte: »Schrei nach Liebe«, 1993). weiterlesen
Sex im Dunkeln
Für seine neue Klanginstallation erkundet Mark Barden die Intimität homosexueller SubkulturIm Oktober reüssierte er im Neue-Musik- Mekka Donaueschingen, Ende November erscheint seine erste Porträt- CD: Unter den zeitgenössischen Musikern ist der 34-jährige US-Amerikaner Mark Barden ein gefragter Mann. Mit M&R sprach der offen homosexuelle Komponist über seine neue Arbeit »Dark Room«, die gerade im Goethe-Institut Chicago Premiere feierte und kommendes Jahr in Deutschland aufgeführt wird. weiterlesen
M&R September/Oktober 2015
Die Vision
25 Jahre DDR-Musik-Museum: Warum die darin präsentierte Ost-Mugge die Zeiten überdauern wird. Auskünfte von Reinhold AndertEin Vierteljahrhundert nach der DDR – ein Vierteljahrhundert! Wer sich auf die Spuren einer, so die Behauptung, mit dem Land weitgehend verschwundenen Kultur begeben möchte, muss also schon einen Zeitsprung von drei oder vier, mindestens aber zwei Generationen zurück unternehmen. »Back to the roots« – um zu erfahren, ob nicht doch etwas vom vor 25 Jahren gefällten Baum bleibt. Und wenn ja, was. Willkommen also im DDR-Musik-Museum! Präsentiert wird Ost-Mugge, Zeitzeugen liefern dazu den »O-Ton Ost« und regen, ausgestattet mit der Erfahrung von Jahrzehnten, zum Weiterdenken an. weiterlesen
Die Hellsichtigen
Mensching/Wenzel und Gundermann entwerfen treffende Bilder von der NachwendeweltDer Dichter Volker Braun, der die Mängel und Irrwege der späten DDR dialektisch analysierte und kritisch begleitete, hat im August 1990 – illusionslos – den Bruch beschrieben, der mit dem Anschluss der DDR an die BRD vollzogen wurde. »Da bin ich noch: mein Land geht in den Westen. / KRIEG DEN HÜTTEN, FRIEDE DEN PALÄSTEN. / Ich selber habe ihm den Tritt versetzt. / Es wirft sich weg und seine magre Zierde. / Dem Winter folgt der Sommer der Begierde. / Und ich kann bleiben, wo der Pfeffer wächst.« (Braun, »Das Eigentum«) weiterlesen
»Wir haben dreißig Mandate«
Die neue Ministerin regiert die kritische Kunst- und Kulturszene ihres Landes mit Ressentiments, Drohungen und Zensur. Ihre Kulturpolitik spiegelt den dramatischen Abbau von Meinungsfreiheit und Demokratie in IsraelAnmerkungen zu Israels Kulturministerin Miri Regev
Miri Regev bekleidet in der gegenwärtigen Regierung Israels das Amt der Ministerin für Kultur und Sport. Ein Kulturminister muss kein Kulturmensch sein, wie ein Wissenschaftsminister nicht aus dem Wissenschaftsbereich kommen muss. Dennoch darf erwartet werden, dass ein Wissenschaftsminister nicht gegen Wissenschaftler und Wissenschaft eingestellt ist. Wer ein Ministerium leitet, sollte sich mit dem ihm anvertrauten Bereich identifizieren können. Es ist bekannt, dass Miri Regev das Amt der Kultur- und Sportministerin nicht gewollt hat; laut gut informierten Kreisen wollte ihr Premierminister, Benjamin Netanjahu, sie auch nicht gerade haben, musste ihr aber einen Ministerposten verleihen, weil sie bei den Vorwahlen der Likud-Partei einen hohen Listenplatz errungen hatte. Sie erhielt schließlich kein »wichtiges« Ministerium, sondern »nur« das für Sport und Kultur. Miri Regev machte kein Hehl aus ihrer Enttäuschung – dafür aber umso mehr reden von sich. weiterlesen
»Die Freiheit an deiner Seite«
Das griechische Rembetiko – eine progressive MassenkulturWer in Athen, Thessaloniki, Iraklion oder einer anderen griechischen Stadt abends ausgeht, merkt schnell, dass sich die Hellenen auch durch die desaströse Lage nicht vom Leben und Feiern abhalten lassen. Neben vielen Bars mit westlicher oder einheimischer Popmusik spielt dabei auch traditionelle Musik eine wichtige Rolle. Menschen fast aller Altersgruppen, aber gerade auch junge Griechen, treffen sich in Restaurants und Cafés, in denen kleine Gruppen von Musikern spielen. Die Musik, deren Melodien vor allem auf der Bouzouki (einem Zupfinstrument mit bauchigem Klangkörper und drei oder vier Doppelsaiten) gespielt und in der Regel von Gesang und Gitarren-Akkorden begleitet werden, heißt Rembetiko. weiterlesen
M&R Juli/August 2015
Dialektik der Eroberung
Zum Verhältnis von Kolonialismus und MusikDie spanischen Eroberer betraten die »Neue Welt« mit einem welthistorischen Paukenschlag. Und das ist mehr als eine bloße Metapher. Die blutigen Raubzüge des Kolonialismus wurden von Anfang an musikalisch begleitet. Berühmt geworden ist die Szene, als Hernán Cortés, der Eroberer Mexikos, 1519 in die Hauptstadt des Aztekenreichs einmarschierte. Tenochtitlan war damals um ein Vielfaches größer als die mächtigsten Städte Europas und ließ die Spanier vor Ehrfurcht und Staunen erzittern. Der Herrscher Moctezuma II, der Cortés für den Gott Quetzalcoatl hielt, ließ diesen feierlich in Empfang nehmen. weiterlesen
Der koloniale Blick und seine Subversion
Die Konfrontation der Kulturen hat einen wechselseitigen Prozess der Veränderung und Bewusstwerdung ausgelöst, der längst nicht abgeschlossen ist. Es gibt keine Unterjochung, ohne dass die unterdrückte Kultur auf die herrschende zu rückwirkt, sie unterminiert und verändert»Ein Indiojunge aus Peru / Er will leben so wie du.« Mit diesem banalen Reim eröffnete Katja Ebstein ein neues Kapitel im deutschen Schlager. Nach Heim- und Fernwehsülze kam der Bewusstseinsschlager, mit dem sich philisterhaft der moralische Zeigefinger in der deutschen Wohnstube erheben sollte. Nach den Beschwörungen ferner Welten als kitschige Staffage für Seemannsgarn und Landser-Nostalgie eines Freddy Quinn kam die Einsicht: Die Menschen der Dritten Welt haben es auch nicht leicht. »Am Fudschijama blüht kein Edelweiß«, »Es gibt kein Bier auf Hawaii« – der »Indiojunge aus Peru« brachte schließlich musikalisches Brot für die Welt. weiterlesen
Keine Alibi-Aktionen
Asian Dub Foundation sind ein klassenkämpferischer Standpunkt und künstlerische Radikalität in der Musik wichtiger als aufgesetzte politische BotschaftenEigentlich wollten Asian Dub Foundation nur ein Benefizkonzert für asiatische Kids im Knast spielen und sich anschließend wieder auflösen. Doch dann entwickelte sich das 1993 gegründete Londoner Projekt, das aus mehreren Community-Workshops hervorging, zu einer richtigen Band. M&R sprach mit Steve Chandra Savale, dem Bandleader von Asian Dub Foundation. weiterlesen
Analyse: »The End« – The Doors
ÖdipalkonfliktVor einem halben Jahrhundert, im Sommer 1965, gründeten Jim Morrison und Ray Manzarek The Doors. Über den im Jahre 1967 aufgenommenen Song »The End« ist bereits vieles geschrieben worden. Obgleich zum ikonischen Werk der Rock-Geschichte avanciert, blieb es, nicht zuletzt wegen seines Textinhalts, enigmatisch. Jim Morrison selbst verweigerte eindeutige Aussagen darüber: »Jedes Mal, wenn ich dieses Lied höre, bedeutet es für mich etwas anderes«, sagte er. weiterlesen
M&R Mai/Juni 2015
Über die Möglichkeiten und Grenzen der Tonkunst im Kampf gegen die Barbarei
Von selbst versteht sich, dass Musik als »absolute Musik« nichts als sich selbst zu vermitteln vermag, schon deshalb, weil sie nichts anderes beansprucht. Sie will von sich aus nichts repräsentieren, was außerhalb ihrer immanenten Ausdrucksmittel liegt, und ihre Ausdrucksmittel sind nun mal nicht durchs Begriffliche, mithin nicht durchs kognitiv Informative, getragen – worin sich Musik von allen anderen Kunstbereichen prinzipiell unterscheidet. Nun hat sich aber im 19. Jahrhundert die Auffassung verbreitet, aller Musik liege eine Idee bzw. ein durch Sprache, Worte und Begriffe generierter Gedanke zugrunde. weiterlesen
Exkurs: Unter fremder Flagge
Antifaschismus auf der schiefen Bahn neoliberaler IdeologieErstaunliche Ansichten werden heutzutage unter dem Label »Antifa« verbreitet. Die Rückführung gesellschaftlicher Übel auf den Kapitalismus sei ein »Überbleibsel« des »Arbeiterbewegungsmarxismus«, den es zu überwinden gelte, ist in einem führenden Antifa-Organ zu lesen. Und der Sprecher eines »Bündnisses gegen Antisemitismus« forderte, »nie wieder« dürften sich kritische Linke »per se auf die Seite irgendwelcher Marginalisierter« stellen. weiterlesen
Erhellen, nicht verdummen
Der Musikwissenschaftler Hanns-Werner Heister über politische Potenziale und Bedeutung antifaschistischer MusikMusik kann antifaschistisch sein – wenn sie einen Beitrag zur Kritik an (Gewalt-)Herrschaft und kapitalistischer Ausbeutung leistet, statt sich mit den Profiteuren gemein zu machen. Doch was genau heißt das? Und wodurch unterscheidet sich antifaschistische von faschistischer Musik? Der Musikwissenschaftler Hanns-Werner Heister beantwortet diese Fragen und räumt nebenbei mit Mythen der Totalitarismustheorie auf. weiterlesen
»Alles falsche Schweine«
Mono für Alle! widersetzen sich dem Rechtsruck in der linken SubkulturMit ihren politischen Texten eckt die Gießener Elektropunkband Mono für Alle! seit 15 Jahren an – auch und gerade in jenen Teilen der linken Subkultur, d ie seit der »Wende« selbst zunehmend systemfromm geworden sind. M&R-Redakteur Matthias Rude sprach mit Sänger Mono. weiterlesen
Afterparty des Maidan
Die Kunst- und Kulturszene im Westen der Ukraine hat im letzten Jahr den Weg von der Regression in die finsterste Reaktion beschrittenDie kreative Intelligenzija war schon immer eine soziale Schicht, die der herrschenden Klasse diente, während sie zugleich auf ihrer eigenen Unabhängigkeit bestand. Deshalb braucht man sich gegenwärtig auch nicht wundern über kriegsverherrlichende Ausstellungen, Hunderte Stunden lange patriotische Videoproduktionen, Dutzende Bands, die obszöne Songs über den Präsidenten des Nachbarlandes singen, Aktionskünstler, die Monumente Lenins zum Hauptproblem und aus dem Verbrennen seiner Werke eine Performance machen. weiterlesen
»Echte Künstler sind Revolutionäre«
Musikalische Marxisten in London fügen zusammen, was zusammen gehört: Musik und PolitikDie AMM liebt die »Klarheit extremer Aussagen« – wie zum Beispiel von Adorno, den Situationisten und William Blake –, bei denen »sich dem einen die Haare sträuben und von denen andere sich inspiriert fühlen«, verrät Watson. Im Mittelpunkt steht Musik – ob nun auf Demonstrationen mit eigenem AMM-Transparent, beim Improvisieren im Pub oder in Publikationen des AMM-eigenen Unkant-Verlags. M&R-London-Korrespondent Maciej Zurowski sprach mit dem musikalischen Marxisten. weiterlesen
M&R März/April 2015
Kuba ist immer noch unser Zuhause
Nach dem Tod ihres berühmten Vaters haben Ibeyi Musik als Schmerz-Ventil entdecktIn Kuba waren Naomi und Lisa-Kaindé Díaz lange Zeit nur als Töchter des Buena-Vista-Social-Club-Perkussionisten Angá Díaz bekannt. Doch das ändert sich mehr und mehr, seit die in Paris lebenden Geschwister selbst Musik machen. Ibeyi nennen sie sich, was in der Yorùbá-Sprache »Zwillinge« heißt. Mit ihrem vor allem durch seine eindringlichen Spirituals überzeugenden Debütalbum gelten die beiden schon jetzt als spannendste Newcomer des Jahres. M&R erzählten sie von den vielfältigen Einflüssen in ihrer Musik und ihrer Heimat Kuba. weiterlesen
Doctor Dolittle
»Rettet die Tiere!«Der Veterinär John Dolittle aus Puddleby-on-the-Marsh verfügt über ein außergewöhnliches Bildungskapital. Er beherrscht 498 Tiersprachen: von Schweinisch bis zu diversen Fischdialekten. Er ist kein Genie, aber was ihn von den meisten anderen Menschen unterscheidet: Er versteht die Tiere, weil er sie liebt, ihnen zuhört – weil er sie verstehen will. weiterlesen
»Im Punk geht es um Freiheit – für Menschen und Tiere«
Tierbefreiung in Punk und HardcoreWie wird jemand zum politisch engagierten Punk? Um darauf eine Antwort zu finden, hilft ein Blick ins Buch »Shibboleth – My Revolting Life« (1996), der Autobiografie des heute 71-jährigen Penny Rimbaud, den man als Vater der Anarcho-Punk-Bewegung bezeichnen könnte. »Schon in frühester Jugend war mir klar, dass nicht alles in Ordnung war«, lautet der erste Satz des ersten Kapitels. Eine Szene, die sich ihm beim Blick in eine McDonald‘ s-Filiale bot, beschreibt er mit den Worten: … weiterlesen
»Die Hip-Hop-Generation erhebt sich«
Das Rap-Duo Dead Prez über die Renaissance von Black Power in den USAUnter den Unterstützern der Proteste gegen rassistische Polizeigewalt in den USA finden sich zahlreiche Künstler wie der Schauspieler Samuel L. Jackson, der Filmemacher Spike Lee und auch Dead Prez. Das Hip-Hop-Duo ist nicht nur ein Rap-Projekt – die beiden Musiker stic. man und M-1 haben sich seit der Gründung 1996 auch manifest politisch positioniert und engagiert. M&R-Redakteur Christian Stache sprach mit stic.man über die neue Bewegung der Schwarzen, Hip-Hop als »revolutionary coaching« und die miserable Performance von US-Präsident Barack Obama. weiterlesen
M&R Januar/Februar 2015
Where the road goes …
Im neoliberalen Zeitalter wird telemediale Kriegspropaganda nach gesamtkunstwerklichen Prinzipien gestaltet. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Fiktion und RealitätDer Komponist Karlheinz Stockhausen hatte mit seiner verstörenden Behauptung, 9/11 sei »das größte Kunstwerk, was es je gegeben hat«, einen Skandal ausgelöst. Die darauf folgende Empörungswelle galt möglicherweise nicht nur dem kalten Zynismus, den das von Stockhausen auf einer Pressekonferenz am 16. September 2001 Gesagte ausstrahlte. Vielleicht spürte die entrüstete Öffentlichkeit, dass mehr als nur ein Funken verborgener Wahrheit darin lag: Denn was für das Ereignis der WTC-Katastrophe nicht festzustellen war, galt durchaus für dessen Darstellung in den Medien – besonders im Fernsehen. weiterlesen
Zwischen den Zeiten
»Männer, Frauen und Maschinen«
Am 21. Februar wäre der 1998 verstorbene Arbeiter, Liedermacher und Poet Gerhard Gundermann 60 Jahre alt geworden»Mein halbes Leben steh‘ ich an der Weltzeituhr / Und ich bin nicht mehr so jung / Und ich warte, und ich warte« – im Spätherbst 1988 erschallte »Lancelots Zwischenbilanz I«, und irgendetwas war anders! Ein Freund hatte mit Filzstift das Geschenkte hinten beschrieben: »Musst Du Dir anhören!« Gundermann? Ja, war regional mit der Brigade Feuerstein eine Institution – ein Lieder-Rock-Zirkus mit klarer Kante. weiterlesen
Zwischen den Welten
»Hier bin ich geborn / Wo die Kühe mag er sind wie das Glück«
Auf der Suche nach dem verlorenen Eisenland – Gundermanns Post-DDR-HymneNie waren Gundermanns »Lebens-Mittel« so wichtig wie heute. Oder vielleicht doch schon mal früher in den ersten Post-DDR-Jahren? Immer noch hat der Tag wieder nicht das gebracht, was er bringen sollte, unsere Sache scheint verloren, selbst Gott ist schon besoffen, die Uhr zeigt fünf vor zwölf. Und wir? »Wir hetzen auf der Suche nach dem Futternapf wie Ratten durch das Labyrinth.« Egal, mein Herzblatt, sei nicht traurig, schließlich: weiterlesen
»Auch die Kunst muss standhalten«
Der zazakisch-kurdische Musiker Mikail Aslan über den Kampf gegen den Islamischen StaatDie Belagerung von Kobanê und der Terror des Islamischen Staats (IS) gegen Kurden, Yeziden und andere »Ungläubige« lässt auch Kulturschaffende nicht kalt. Der zazakisch-kurdische Musiker Mikail Aslan hat in den vergangenen Monaten zahlreiche Benefizkonzerte für die Menschen in Kobanê gespielt, um Geld für Flüchtlinge zu sammeln und auf die dramatische Situation in den kurdischen Gebieten aufmerksam zu machen. Im November hat Aslan das Geld zu den Flüchtlingen nach Suruç bei Kobanê, kurz hinter der türkisch-syrischen Grenze, gebracht. Er selbst hat die Türkei vor knapp 20 Jahren aus politischen Gründen verlassen müssen und lebt seitdem in Deutschland. M&R sprach mit dem Gitarristen und Sänger über die Situation der Musiker in den umkämpften Gebieten, politische Musik in Rojava und der Türkei sowie die Möglichkeiten, den Kampf der Kurden gegen den IS musikalisch zu unterstützen. weiterlesen
Märtyrergehabe
Agata Pyzik über Mythen und Wahrheiten der Punkkultur in der Volksrepublik PolenDas Buch »Poor but Sexy« der in Großbritannien lebenden polnischen Autorin Agata Pyzik handelt vom Aufeinanderprallen der Kulturen Ost- und Westeuropas – während des Kalten Krieges und im neoliberalen Zeitalter. Unser London-Korrespondent Maciej Zurowski sprach mit Agata Pyzik über Punk in Polen damals und seine reaktionären Tendenzen heute. weiterlesen
Kein Widerspruch zwischen autonomer und politischer Kunst
Arkadiy Kots arbeiten an der Wiederbelebung klassenbewusster LiedkulturDie russische Band Arkadiy Kots (benannt nach dem russischen Dichter und Sozialisten Arkadiy Yakovlevich Kots) ist immer mittendrin – bei Versammlungen, Demonstrationen, linken Konferenzen und politischen Konzerten. Sie gelten als die bedeutendste Band der linken Szene im heutigen Russland. Im Herbst haben sie ihr erstes Album mit dem Titel »Lasst uns politisch kämpfen« veröffentlicht. M&R-Moskau-Korrespondent Andrey Ukrainskiy bat sie zum Interview. weiterlesen
M&R November/Dezember 2014
Zerbombt
Oktoberrevolution-Kulturpalast in Donezk Der Faschismus überzieht die Ukraine nicht nur mit Not und Elend – er vernichtet auch das Kulturerbe der UdSSRIm Jahr 1957 feierte die Sowjetunion den 40. Jahrestag der Oktoberrevolution. Um die historische Bedeutung des Ereignisses herauszustellen, schlossen viele Städte zum Jubiläumsdatum große Bauprojekte ab. Die Stadt Donezk – die damals Stalino hieß – war keine Ausnahme: Dort wurden der Flughafen, das Dorf Komsomolskij sowie der nach der Oktoberrevolution benannte Kulturpalast gebaut. Dieser bot einen Vorführungsraum mit 420 Plätzen, einen Lesesaal und Räume für Kunstgruppen. weiterlesen
»Leiden beredt werden zu lassen, ist Bedingung aller Wahrheit«
Ein ideologiekritisches Gespräch über Leiden und Schmerz in der MusikHerr Zuckermann, Sie gelten als apostrophierter Kritiker der Kulturindustrie. Der Mainstream der kommerziellen Popmusik blendet das Leiden des Menschen an existenzieller Not, an den Begleiterscheinungen der kapitalistischen Gesellschaft, an Ausbeutung und Armut, nahezu aus. Er kennt Schmerz nur in Form von Herzschmerz. Ist diese Reduktion genuin in populärer Musik angelegt oder ein Symptom von deren kulturindustrieller Verwertung?
Die Antwort liegt im Grunde schon in Ihrer Frage. weiterlesen
Fleisch von Linken zum Abendessen
Von dem drastischen Rechtsruck der israelischen Gesellschaft bleiben auch die Musiker nicht unberührtDer britische Musiker und Produzent Brian Eno (Roxy Music, U2, Coldplay) sprach Anfang August, als der jüngste Gaza-Krieg wütete, von einer »ethnischen Säuberung«, die an der palästinensischen Zivilbevölkerung verbrochen werde. Der US-Regierung warf er vor, Israel finanziell in einem »einseitigen kolonialistischen Krieg« zu unterstützen; das sei, »als wenn man dem Ku-Klux-Klan Geld überweisen würde«. Mit dem rassistischen Geheimbund wurden die rechten Siedler, die nachts arabische Dorfbewohner terrorisieren, bereits des Öfteren verglichen. weiterlesen
Front-Musikanten
Afghanistan 13 Jahre danach: Mit den abziehenden Besatzungstruppen entfällt auch deren popmusikalische Betreuung. Eine Bilanz zur Verantwortung der Kunst in KriegszeitenÜber 13 Brücken musst Du gehn, 13 dunkle Jahre überstehn, hätte Peter Maffay singen sollen, damals, 2005 in Afghanistan. Wusste es nicht besser, tat es also nicht, blieb bei sieben, der ewige Oldie mit den Oberarmen aus der Muckibude, einer der ersten deutsch singenden Truppenbetreuer nach 1945. Heute gibt er sich einsichtig. Konzepte »militärischer Natur« seien untauglich, das hätten »wir alle« inzwischen gemerkt, »selbst die, die es nicht wahrhaben wollten«. Sagt er – und sagt nicht: Auch ich wollte es nicht wahrhaben. Und fragt nicht nach seiner Verantwortung. weiterlesen
M&R September/Oktober 2014
Children of the Revolution
Adorno, Freud und das Unbehagen in der MusikkulturIch saß mit einigen Freunden in der Bar des Palazzo delle Esposizioni in Rom, wo eine John-Cage-Konferenz stattfand. Plötzlich hörten wir aus dem Nebenraum den Klang von Trommeln. Er wirkte wie eine Komposition, in der es nicht möglich war, eine Ordnung zu finden. Sofort begann unter uns eine Diskussion darüber, wer der Komponist sein könnte: eines Stücks, das eindeutig zum Repertoire der Avantgardemusik der Nachkriegszeit gehörte. Boulez? Kagel? Cage? Es war in seiner Artikulationen zu obsessiv, um ein Beispiel für integralen Serialismus sein. Und seine Dynamik war zu intensiv und übertrieben, um sich in den antisubjektivistischen Kanon aleatorischer Musik einzureihen. Zu unserer Überraschung entdeckten wir schließlich, dass sich im Nebenraum etwa 20 kleine Kinder mit Perkussionen amüsierten. weiterlesen
Ikonen der Camouflage
Punk adieu, bonjour Hollywood: Die Anti-Putin-Aktivistinnen von Pussy Riot ändern ihre Gewandung, bleiben politisch aber stramm auf WestkursWas als Punk daherkommt, muss nicht Punk sein. Das war schon immer so, oder was hatte Malcolm McLarens 1975er-Masterplan zum »Great Rock’n’Roll Swindle« um die Sex Pistols mit Aufstand zu tun? Wenn überhaupt, war es ein Konzept für ein gutes Geschäft mit der längst in der Luft liegenden Rebellion. »Punk« als Produkt bediente zuallererst den aufmüpfigen Zeitgeist. Das barg die Gefahr in sich, umgehend zu Pop zu werden. »Anarchy in the UK« als gegenkultureller Hit, »No future« als Pose, Halbwertzeit, wenn überhaupt, anderthalb Jahre. Das unheimliche Integrationspotential der Kulturindustrie frisst die Punks, und die merken es nicht einmal. weiterlesen
Analyse: Noch verlogener als Schlager
Andreas Gabalier
»I sing a Liad für di«Andreas Gabaliers Song »I sing a Liad für di« hätte schon vor 50 Jahren gut und gern als Musterexemplar deutschsprachigen Schlagertums firmieren können. Als Wiesn-Gaudi, Blauer- Bock-Freudigkeit oder Ballermann-Degeneration, überall wäre diese Mischung aus Humpapa-Musik und Boy-meets-Girl-Klischee, wie sie nur die bewusst-platte deutschsprachige Unterhaltungskultur zu fabrizieren vermag, in unbedarfter Dankbarkeit aufgenommen worden. Sie appelliert dezidiert ans Niedere, das sich wie auf Befehl begeisterten Publikum zumeist in kollektivem Geschunkel und rhythmischem, zuweilen ins Marschartige übergehenden Händeklatschen kundtut, im Viervierteltakt als Demonstration überbordender Lebensfreude. Dass dieses »Liad« millionenfach auf Youtube abgerufen worden ist, sich also allergrößter Popularität erfreuen darf, korrespondiert aufs Stimmigste mit seiner unhinterfragten Funktion als Produkt trivialer Kulturindustrie. weiterlesen
M&R Juli/August 2014
»Der Soldate ist der schönste Mann bei uns im Staate«
Vor hundert Jahren: Populärkulturelle Mobilmachung im Ersten Weltkrieg»Ohne den deutschen Militarismus wäre die deutsche Kultur längst vom Erdboden getilgt«, heißt es in einem Aufruf an die Kulturwelt, der von 93 Wissenschaftlern, Künstlern und Schriftstellern unterzeichnet und im Oktober 1914 in allen großen Zeitungen veröffentlicht worden war. Das Bewusstsein, dass Heer und Volk »eins« seien, verbrüdere die Deutschen »ohne Unterschied der Bildung, des Standes und der Partei«. Bei dem Aufruf, der auch als »Manifest der 93« bekannt ist, handelt es sich um ein Stück Propaganda aus den Monaten, die noch heute mit kriegsbegeisterten Massen assoziiert werden. Ein trügerisches Bild, das die Welle von Friedensdemonstrationen ausblendet, die Deutschland in den Wochen vor Kriegsbeginn erfasste. weiterlesen
Der Punk der Rebellion
Ratos de Porão (Kellerratten) beweisen: Metal aus Brasilien, das ist nicht nur Sepultura. Ein Gespräch mit Sänger und Frontmann João GordoWie beim Punk oft der Fall, begann auch die Geschichte des brasilianischen Hardcore in einem kleinen Ladengeschäft: Fábio Sampaio, später Shouter der einschlägigen Band Olho Seco, eröffnete 1979 im Stadtzentrum von São Paulo Punkrock-Discos (Punkrock-Schallplatten). Mit seinen Vinyl-Importen aus England und Skandinavien – vor allem aber mit den erschwinglicheren Mixtapes, die er selber zusammenstellte – schwor er die lokale Punkgemeinde auf den europäischen Knüppel-Hardcore von Discharge, Chaos UK und Kaaos ein. weiterlesen
M&R Mai/Juni 2014
»Slava Ukrajini – heroyam slava!«
Auf dem Maidan entfaltet sich die Ästhetisierung der Politik zum popkulturellen Gesamtkunstwerk FaschismusDie abendlichen Gottesdienste und Heldengedenkfeiern auf der großen Bühne des Maidan in Kiew strotzen vor sakraler und kriegerischer Prachtentfaltung. Wenn dann »Schtsche ne wmerla Ukrajina« (»Noch ist die Ukraine nicht gestorben«) erklingt – die Nationalhymne, mit einer Melodie, wie sie schwermütiger nicht sein kann –, nehmen die hochgradig emotionalisierten Menschen eine weihevolle Haltung ein. Das Pathos packt ihre Herzen. Viele können die Tränen nicht zurückhalten. weiterlesen
Eine Explosion der Freude
Der Sänger Vitorino Salomé über die »Nelkenrevolution«Vor 40 Jahren – in der Nacht vom 24. auf den 25. April 1974 – verließen portugiesische Militärs ihre Kasernen und vertrieben die Vertreter des Salazar-Regimes aus dem Land. Das Signal für den Beginn der »Nelkenrevolution« waren zwei Lieder, die im Radio ausgestrahlt wurden. Der 1942 in eine musikalische Familie hineingeborene Sänger Vitorino Salomé hat alles miterlebt. Im Pariser Exil sang er gegen das Regime an, nach der Revolution verwandelte er sich in die »Stimme des Alentejo«, indem er die Lieder seiner Heimatregion im ganzen Land bekannt machte. Viele sind heute Klassiker in Portugal und werden bei seinen Konzerten von den Zuhörern lautstark mitgesungen. Torsten Eßer traf Vitorino Salomé in Köln. weiterlesen
»Wir bringen Licht«
Berufung: »Stritery« – Straßenmusiker in RusslandDie rothaarige Schenja und der asiatisch aussehende »Adel« tatarischer Herkunft, beide knapp über 30 Jahre alt, nennen sich Zoommer. Das Duo steht fast täglich in der Stadtmitte Kasans, der Hauptstadt der zu Russland gehörenden Republik Tatarstan. Sie singen alte Lieder, die den meisten Menschen das Herz erwärmen. Auch eigene Lieder tragen sie vor. »Adel« arbeitete an einer Baustelle, auch als Chauffeur. Schenja war als Verkäuferin in einem Souvenirladen angestellt. Beide kündigten und gingen auf die Straße – sie folgten ihrer Berufung. »Es gibt Gerüchte, dass man die Straßenmusiker legalisieren wird, weil man verstanden hat, dass das auch Arbeit ist«, sagt Schenja. »Aber noch sind das nur Gerüchte. Doch die Polizei sieht, dass wir Gutes und Licht bringen. Sie lassen uns in Ruhe. Aber gleichzeitig fühlen wir uns nicht ganz erlaubt.« »Adel« fügt hinzu: »Das Wichtigste ist, dass ein Mensch das tut, wonach seine Seele strebt.« weiterlesen