Melodie & Rhythmus

Bühne frei für die »Revolution«

28.12.2015 14:22
Foto: Joe C. Loughrell

Foto: Joe C. Loughrell

Brutto, Nadeschda Tolokonnikowa, David Gilmour, Boombox, Viktoria Modesta, Neil Tennant, Juliet Stevenson u. a.
KOKO, London

Maciej Zurowski

»Staging a Revolution« – eine Revolution inszenieren – lautete das vieldeutige Motto einer Reihe von Veranstaltungen in London. Darunter ein großes Konzert mit Musikern, die in ihren Heimatländern »verboten« seien. Es handelte sich um das 10-jährige Jubiläum des Freien Theaters Weißrussland, einer »radikalen Untergrund-Gesellschaft«, so die BBC, die das in mehreren Ländern ausgestrahlte Spektakel mit präsentierte. Das Freie Theater habe ein »einmaliges Aufgebot an Performern eingeladen«, so der auf Queen und Empire eingeschworene Staatssender weiter, »die für künstlerische Freiheit und gegen Ungerechtigkeit« protestieren.

Sinn und Zweck war es, den Besuchern zu veranschaulichen, dass es »die Redefreiheit, die wir für selbstverständlich erachten, in anderen Ländern nicht gibt«, wie es Nikolai Khalezin, Mitbegründer des Freien Theaters, in seiner Eröffnungsrede ausdrückte. Dem Publikum – überwiegend kaufkräftige Pink-Floyd-Fans im fortgeschrittenen Alter – leuchtete das ein. Schließlich hatten sie sich an diesem Abend die Freiheit erkauft, allerhand Prominenz beim Sinnieren zum Thema »Revolution« zuzuhören. Kurz noch eine Grußbotschaft von Mick Jagger über die Videoleinwand, dann Bühne frei für die verbotenen Revolutionäre!

»Wir sind heute alle Teil einer Mini-Revolution«, rief das lettische Model Viktoria Modesta dem mit überteuertem Bier versorgten Publikum entgegen. Dann rappte sie: »Ich bin progressiv, nicht aggressiv.« Warum sie in ihrem Heimatland unerwünscht oder gar verboten sein soll, blieb unklar, denn laut Eigeninformation stellt Modesta lediglich »Schönheitsideale infrage« – sie modelt trotz amputiertem Bein – und macht »unheimlich viele progressi- ve Dinge in der Musik- und Modebranche«. Doch bald kam Viktoria auf’s eigentliche Thema zu sprechen. Nicht das Vereinigte Königreich, in dem das Heer noch immer einem Monarchen untersteht, oder etwa Polen mit seiner Klerus-hörigen Rechtsaußen-Regierung, sondern Russland sei das Land, das eine Revolution ganz besonders nötig habe – schließlich sei es um dieses Land »gendermäßig« schlecht bestellt. Welche Revolution als Vorbild dienen könne oder gar solle, wurde von der nächsten Band beantwortet: den aus Weißrussland stammenden, nunmehr in der Ukraine angesiedelten BRUTTO.

Die mit ihrem Hooligan-Image kokettierende Kombo hat sich seit ihrer Gründung vor allem durch ihre offenkundige Unterstützung der Maidan-»Revolution« verdient gemacht. Und ein Hauch Maidan war jetzt auch im Saal zu spüren. Zu pathoserfüllten Refrains und Hauruck-BRUTTO-Rock schossen hier und dort Nationalfahnen aus dem Publikum in die Höhe: die blau-gelbe ukrainische sowie die ehemalige weiß-rot-weiße von Belarus, die heute von der rechtsgerichteten Opposition verwendet wird.

Den kompletten Artikel lesen Sie in der Melodie und Rhythmus 1/2016, erhältlich ab dem 30. Dezember 2015 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.

Ähnliche Artikel:

Anzeigen



TOP 10: April 2024

Liederbestenliste

Ältere M&R-Newsletter

Aus dem M&R-Archiv

Auf Ostfrontlinie gebracht
Nationalistische Parolen, Geschichtsklitterung, Hassexzesse, sogar Begeisterung für den totalen Krieg – einer wachsenden Zahl von Künstlern und Intellektuellen ist offenbar jedes Mittel recht, um sich der neuen Volksgemeinschaft gegen Russland anzudienen. weiterlesen

Melden Sie sich für unseren Newsletter an

Rudolstadtfestival 2023: Viva Cuba

Fotos von Katja Koschmieder und Jens Schulze weiterlesen

In eigener Sache

Stellenausschreibung
Die Verlag 8. Mai GmbH sucht eine Kulturredakteurin (m/w/d) für die Melodie & Rhythmus

*****************

Wenn die Kraft fehlt
Weshalb der Verlag 8. Mai das Kulturmagazin Melodie & Rhythmus einstellt

Leider müssen wir heute eine schmerzliche Niederlage eingestehen: Das Magazin für Gegenkultur Melodie & Rhythmus (M&R) kann nicht weiter erscheinen. Das hat verschiedene Gründe, sie sind aber vor allem in unserer Schwäche und in der der Linken insgesamt zu sehen. weiterlesen

*****************

»Man hat sich im ›Grand Hotel Abgrund‹ eingerichtet«
Zum Niedergang des linken Kulturjournalismus – und was jetzt zu tun ist. Ein Gespräch mit Susann Witt-Stahl

Ausgerechnet vor einem heißen Herbst mit Antikriegs- und Sozialprotesten wird M&R auf Eis gelegt – ist das nicht ein besonders schlechter Zeitpunkt?
Ja, natürlich. … weiterlesen

logo-373x100

Facebookhttps://www.facebook.com/melodieundrhythmus20Twitter20rss

Jetzt abonnieren

flashback