Foto: Richard Hubert Smith
Fiona Shaws Inszenierung von Benjamin Brittens Kammeroper »Die Schändung der Lucretia« macht die Bühne im Haus der Berliner Festspiele zum Ausgrabungsort
Christoph Kutzer
Wenn sie eine Ehebrecherin war, warum wird sie gepriesen? Wenn sie keusch war, warum musste sie sterben?« Mit dieser Frage leitete der Kirchenvater Augustinus (354 – 430 n. Chr.) die Umdeutung des antiken Lucretia-Stoffes ein. War die Gattin des Collatinus bei Autoren wie Livius noch ein Opfer des Tyrannen Tarquinius, so gab der Theologe ihr die Schuld an der Katastrophe. Sie habe die Vergewaltigung genossen und sich dann dafür schuldig gefühlt, argumentierte er.
Benjamin Brittens »Die Schändung der Lucretia« ist eine Spurensuche, die der Wahrheit näher kommen will. Weder wird die römische Schönheit für ihre Tugend heilig gesprochen, noch als Sünderin verdammt. Entsprechend inszeniert die Irin Fiona Shaw (den meisten wohl als Tante Petunia Durslay aus den »Harry Potter«-Verfilmungen bekannt) die Kammeroper als Versuch einer Rekonstruktion der Tat und ihrer Hintergründe. Das von Britten stellvertretend für den Chor der griechischen Tragödie eingesetzte Paar, das das Geschehen auf der Bühne kommentiert, wühlt – Archäologen gleich – nach der Wahrheit: in schwarzer Erde, die gleichzeitig auf den Tod der Protagonistin verweist.
Den kompletten Artikel lesen Sie in der M&R 6/2014, erhältlich ab dem 31. Oktober 2014 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.