Ein Panorama der vertonten Lust am Quälen und Leiden
Leander Sukov
»Domination’s the name of the game / In bed or in life / They’re both just the same«: »Master and Servant« von Depeche Mode, der Elektropop-Gruppe, die auf hedonistischen Tanzpartys beliebt ist. Die Musik ist anspruchsvoller, durchkomponierter als die von vielen anderen und dabei nicht überambitioniert, die Texte sind sexualisiert, aber keine Außenansicht, keine kleinbürgerliche Kuck-malwas- die-da-machen-Attitüde, also ohne den Geruch nach billigen Zigarren, nach Whisky-Cola, nach Herrenabend und Vorstadtdisko. Damit stehen Depeche Mode in der Tradition einiger weniger Couplet-Sänger aus den 1920ern und ihre Stücke in der Tradition von Swing aus den 30ern und 40ern. Leider kann ich diese Tradition hier nicht nachzeichnen. Das große Archiv sado-masochistischer Kunst, das in Dortmund existierte, ist an eine Berliner Universität gewandert und leider online noch nicht auffindbar. Man muss mir also glauben: Es gab Schmerz und Lust, ganz ohne Herrenwitz, schon zu Zeiten der ersten Tonaufnahmen.
In den 50ern und 60ern waren es Titel, wie »Der Novak lässt mich nicht verkommen«, mit denen sowohl die eigene Verklemmtheit, Zote und geistiger Nierentisch in die Rille gepresst wurden. Zu dieser Rubbel-Abteilung gehört auch der »Masochism Tango« von Tom Lehrer. Und auch Zappas »Bobby Brown« ist nicht frei von fröhlichem Unverständnis, nur halt auf hohem intellektuellen Niveau. Zappa eben.
Den gesellschaftlichen Bruch, der durch das Spiel mit Normierungen und Normen, mit moralisch Verbotenem und der scheinbaren Hypersexualisierung stattfindet, hat die Musik dabei schon recht früh erfasst. Denn natürlich beinhaltet auch »Lulu«, ob als Oper von Alban Berg oder als Drama von Frank Wedekind, eine Innenansicht leidender sexualisierter Lebensentwürfe – allerdings in Schilderung der vollständigen Auflösung von Regulation und Absicht in Schicksal und Fügung. Lou Reed hat mit Metallica das Stück über bürgerliche Grausamkeit 2011 als Konzeptalbum herausgebracht.
Den kompletten Artikel lesen Sie in der M&R 6/2014, erhältlich ab dem 31. Oktober 2014 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.