
Die selbstentfremdeten Bürger der »Big Republic« versuchen, tabuisierte Körperlichkeit mit exzessivem Fleischgenuss zu kompensieren
Foto: Luzie Marquardt
Das Stuttgarter Theater Rampe transferiert Motive aus Jewgeni Samjatins Roman »Wir« ins Medienzeitalter
Christoph Kutzer
Theater machen ist für Marie Bues und Martina Grohmann im Idealfall ein kollektiver Prozess. Als die beiden 2013 als Intendantinnen nach Stuttgart kamen, verfolgten sie nach dem an Brecht angelehnten Motto »Kuhle Rampe« die Vision, eine utopische Gemeinschaft aus Künstlern, Wissenschaftlern und Bürgern unter dem Dach der Spielstätte anzusiedeln. 2015 liefert »Big Republic« nun den dialektischen Gegenentwurf: Das frei auf Jewgeni Samjatins dystopischem Roman »Wir« aus dem Jahre 1920 basierende Stück zeigt die Abgründe einer entindividualisierten Gemeinschaft im Einheitsstaat.
Samjatin war nicht nur ein engagierter Bolschewik, der die Meuterei auf dem Linienschiff »Potjomkin« 1905 mitorganisiert und sich an Februar- und Oktoberrevolution beteiligt hatte, er war auch ein hellsichtiger Autor. »Wir« thematisierte das Szenario eines seelenlosen Staates so überzeugend, dass Samjatin umgehend Schreibverbot erhielt. In der Sowjetunion erschien sein Werk erst 1988. »Big Republic« zeigt, dass die Ideen des gelernten Schiffbauingenieurs sogar weitreichend genug sind, um noch die Tücken unserer Zeit zwischen Medienmechanismen und kapitalistischem Glücksimperativ zu spiegeln.
Den kompletten Artikel lesen Sie in der Melodie und Rhythmus 4/2015, erhältlich ab dem 26. Juni 2015 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
Ähnliche Artikel:
