Der Liedermacher hat die politische Musikszene entscheidend mitgeprägt
Sänger und Gitarrist – die öffentliche Person Hannes Wader ist klar definiert. Doch sein Weg zu einem der erfolgreichsten deutschsprachigen Liedermacher wurde vom Scheitern an anderer Stelle geebnet: Der Sohn einer Putzfrau und eines Landarbeiters aus Bielefeld begann zunächst eine Lehre als Schaufensterdekorateur in einem Schuhgeschäft, wurde aber bald wegen »Unfähigkeit, Streitsucht und Musizierens während der Arbeitszeit« vor die Tür gesetzt. Zu diesem Zeitpunkt spielte Wader bereits Mandoline und Gitarre, erste Bühnenerfahrungen jedoch sammelte er als Saxofonist und Klarinettist in Jazz-Combos. Weil er weiterhin hartnäckig versuchte, seine eigene Musikkarriere zu sabotieren, nahm er als nächstes ein Grafikstudium auf – nur um sich Ärger mit den Dozenten einzuhandeln. Doch anstatt nun endlich einzusehen, dass er auf die Bühne gehörte, setzte Wader das Studium in Westberlin fort, bis 1967, als er die Musik endlich selbst zu seiner Profession erkor.
Wader brachte ungehörte Klänge in die sich entwickelnde Liedermacher-Szene. Seine Stimme – eine echte Gesangsstimme von Rang! Sein Gitarrenspiel war vom US-amerikanischen Folk geprägt. Mit präzisen Arrangements gewann seine Musik eigenständige Bedeutung, sie war weit mehr als bloßes Transportmittel für substanzielle Texte, die von poetischer Kraft zeugten und immer stärker politisch Stellung bezogen. Opportunismus war dem Musiker in jeglicher Hinsicht fremd: 1977, das Jahr des Deutschen Herbstes, war kein sehr günstiger Zeitpunkt, um in die DKP einzutreten – Wader tat es trotzdem. Prompt wurde er zum Gegenstand einer wütenden Diffamierungskampagne. Anders als sein treues Publikum brauchte der kulturelle Mainstream lange, um sich von diesem »Schock« zu erholen. Am Ende aber stand die Erkenntnis, dass man einen Hannes Wader nicht so einfach ignoriert, und man ehrte ihn mit einem »Echo«: Ein wenig bedeutsamer Preis für ein äußerst bedeutendes Lebenswerk – aber durchaus eine späte Genugtuung.
Und heute – wie geht es weiter? In dem Lied »Kleine Stadt« rätselte Wader: »Wird es nach uns wohl noch jemand geben / Der, wenn unser Gesang erst für immer verklingt / Noch unsere Lieder singt?« Die Frage kann getrost mit Ja beantwortet werden. Einige von Waders Songs stehen längst im Rang eines Volkslieds, und auch wenn sich der Sänger bald mit einer letzten Tournee von der Bühne verabschiedet, hat Hannes Wader durch sein Leben und sein Werk eine kommende Generation politischer Liedermacher entscheidend mitgeprägt.
Prinz Chaos II.
Der Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 3/2017, erhältlich ab dem 30. Juni 2017 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.