
Montage: M&R / Gemeinfrei
Agitation, Aufklärung, Erkenntnis und Ideologie – Aspekte des Humors als Waffe (der Kritik)
Susann Witt-Stahl
Das Leben in einem Land ohne Humor sei unerträglich. Noch unerträglicher sei ein Land, das des Humors bedürfe. Diese Einsicht von Bert Brecht muss seit dem vorläufigen Sieg der neoliberalen Konterrevolution auf die ganze Welt übertragen werden. Vor allem die antikapitalistische Linke braucht Humor im Kampf um die Köpfe und Herzen wie die Luft zum Atmen. Denn als Produktivkraft unter dem Kommando von Sozialisten und Kommunisten, die heute zunehmend mit dem Rücken zur Wand stehen, erweist er sich nicht selten als eine der letzten Waffen der politischen und psychologischen Selbstverteidigung.
Traditionell feuern in Komödien die armen Teufel mit dieser Waffe Streiche gegen die gnadenlose Staatsgewalt und Amtsautoritäten. Viele Szenen der Vagabunden-Stummfilme von Charlie Chaplin haben sich ins kollektive Gedächtnis der Linken eingeschrieben – etwa aus »The Immigrant« von 1917, in dem er in der Rolle des Tramps einen Beamten der Einwandererbehörde tritt (Grund genug, ihn in der McCarthy-Ära »unamerikanischer Umtriebe« und »subversiver Tätigkeiten« anzuklagen). Das zugrunde liegende David-gegen-Goliath-Motiv wurde durch alle Zeiten hindurch auf alle nur erdenklichen, historisch spezifischen komischen Weisen interpretiert. Gravierender Unterschied zum biblischen Original: Der aussichtslos unterlegene Held muss nach seinem Volltreffer – immer nur ins Gesäß der Macht − stets wie Speedy Gonzales auf der Flucht vor dem Kater Sylvester die Beine in die Hand nehmen, um der Rache eines nur kurz ins Taumeln geratenen Philisters gerade noch zu entgehen. In seinem Schabernack erhält sich die Hoffnung, Goliath eines Tages auf die Stirn zu treffen; es zementiert sich aber auch das Bewusstsein fortwährender Ohnmacht gegenüber den scheinbar unveränderbar bestehenden Verhältnissen.
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Der komplette Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 2/2020, erhältlich ab dem 13. März 2020 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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