Leonard Steckel als Puntila und Erwin Geschonneck als Matti, Aufführung des Berliner Ensembles im Deutschen Theater Ostberlin (Regie: Bertolt Brecht und Erich Engel), Premiere am 12. November 1949
Foto: AKG-Images / Horst Maack
Bert Brecht ließ vor rund 80 Jahren den Klassenkampf im meist besoffenen Kopf eines Mannes wüten. Die Komödie »Herr Puntila und sein Knecht Matti« reizt noch heute zum befreienden Lachen
Bastian Tebarth
Am 6. September 1940 notierte Brecht: »tief im PUNTILA. das ganze beruht auf einem tonfall. es macht mir viel vergnügen. die engländer und franzosen haben nach dem 17. jahrhundert nur noch die komödie, die deutschen haben sie im 19. jahrhundert noch nicht.« Paris war im Juni besetzt worden; einen Tag nach seinem Eintrag ins Arbeitsjournal begann das Bombardement Londons. Brecht schrieb den Deutschen ihre Komödie also in »finsteren Zeiten« (so seine berühmte Formulierung im bereits zwei Jahre zuvor entstandenen Gedicht »An die Nachgeborenen«). Er schuf ein Stück, dessen meist betrunkener Antiheld zum Lachen reizt. Nicht mit ihm, nicht über ihn, sondern über die Verhältnisse, die er repräsentiert. Für Brecht lag das zu weckende Potenzial des Komischen darin, nicht nur nicht an diesen Verhältnissen irre zu werden, sondern die Motivation zu liefern, sie umzuwerfen. Wie heißt es in Brechts »Lob der Dialektik«? »Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?/ Denn die Besiegten von heute sind die Sieger von morgen/ Und aus Niemals wird: Heute noch!«
Tragödien waren ihm ein »Appell an das Mitleid des Bürgertums, ein ganz und gar vergeblicher Appell«. Brecht hielt sich folglich an das Komische: einerseits im etymologischen Wortsinn – die altgriechischen Begriffe »ko¯mos« und »ko¯mo¯día« verweisen auf das Dionysosfest und damit den Karneval, also an die fiktive Verkehrung und Umwälzung der Verhältnisse. Andererseits auch im Gebrauchssinn des »Fremden«, »Eigenartigen«, das, überraschend auftretend, eine Irritation auslöst. Diese Unterbrechung des Gleichförmigen schlägt in ungläubiges Lachen um und dann, im Lichte der Erkenntnis, in Abwehr und Aktion.
…
Der komplette Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 2/2020, erhältlich ab dem 13. März 2020 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
Ähnliche Artikel:
Anzeigen br>