Foto: Wolfgang Rattay/Reuters
Der deutsche und internationale Musikmarkt wird von drei Unternehmensgruppen beherrscht: Universal, Sony und Warner. Was bedeutet das für das Angebot und die Produkte? Sieht unsere Musiklandschaft bald so eintönig aus wie unsere Innenstädte und vermittelt sie aller Welt eine typisch »westliche« Perspektive? Oder ist das eine zu pessimistische Sichtweise? Vor dem Hintergrund solcher Fragen diskutieren Kai Degenhardt und Notker Schweikhardt die These:
Die Musikindustrie produziert kulturelle Einfalt und sichert die westliche Hegemonie
PRO
Mitläufer-Industrie
Wenn Sarah Connor zur Truppenbetreuung in Afghanistan aufspielt, Peter Maffay auf dem Sommerfest des Bundespräsidenten mit Gauck im Duett »Über sieben Brücken musst du gehen« singt. Oder wenn Hannes Wader mit Campino auf der Echo-Verleihung rockt. An solchen Feiertagen wird die neoliberale Gleichgeschaltetheit der Branche schon mal ganz offen ins Schaufenster gestellt.
Dass die Musikindustrie aber auch unter der Woche damit beschäftigt ist, sich immer neue konsumfreudige und systemkonforme Mitläufer-Heerscharen heranzuzüchten, liegt nicht daran, dass sie von fiesen und korrupten Agenten des Kulturimperialismus betrieben wird. Das sind ganz normale, brave Akteure der allseits beliebten und gefeierten marktwirtschaftlichen Produktionsweise, die durch ihre ureigene Struktur alles zur Ware macht, was ihr in die Finger kommt. …
Kai Degenhardt
lebt und arbeitet als Liedermacher in Hamburg. Für sein 2012 veröffentlichtes Album »Näher als sie scheinen« erhielt er den Preis der Deutschen Schallplattenkritik.
Foto: privat
CONTRA
Vielfalt VS. Oligopol
Ich halte die These für falsch. Im Gegenteil, die »Musikindustrie« produziert gerade eine noch nie da gewesene Vielfalt. Wer ist »die Musikindustrie«? Sofort fallen uns die verbliebenen drei großen Plattenfirmen ein. Ja, deren Repertoire stellt einen Großteil der üblichen Radiohits. Dabei war »Musik« noch nie so vielfältig wie heute. Allein in Deutschland gibt es über 1.300 kleinere Labels, die von nigerianischem Rap bis elektronischen Kompositionen auf der Basis von Lorenz-Attraktoren eine unfassbare Bandbreite an Musik veröffentlichen.
»Musikindustrie« sind aber nicht nur »Labels«. Der Begriff »Industrie«, mit seiner Assoziation zu Fabriken, die Massenprodukte ausspuckenden, leitet in die Irre. Es geht um Bühnen- und Studiomusiker, Komponisten, Sounddesigner, Texter, Promoter, Booker, Musikveranstalter, Vertriebe, Verlage, Studios, Talent- und Trendscouts, Tonleute, Akustiker, Sänger, Tänzer, Choreografen usw. Menschen, die meist schlecht bezahlt werden und oft den Ausgleich zu ihrer prekären Lage nur in der Liebe zu ihrem Beruf finden. Sie üben hochqualifizierte Berufe aus, die Talent und eine intensive Ausbildung erfordern. …
Notker Schweikhardt
ist seit 2014 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Sprecher für Kultur- und Kreativwirtschaft.
Foto: Gerd Seidel
Die kompletten Debattenbeiträge lesen Sie in der M&R 6/2014, erhältlich ab dem 31. Oktober 2014 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.