Die Rechteverwerter bilden eine Wagenburg. Man will gemeinsam sterben
Neulich wollten 13 Vertreter der Musikindustrie die Tauschbörse Limewire verklagen. Durch den Musiktausch sei ihnen Geld entgangen, das sie nun gern hätten. Die Summe konnten sie exakt beziffern: 75 Billionen Dollar. Das ist mehr als das Bruttoinlandsprodukt der ganzen Welt. Das ist sogar mehr, als die Musikindustrie seit Erfindung des Plattenspielers (1877) verdient hat. Der Richter wies die Klage ab.
Das wird die Musikindustrie nicht davon abhalten, klagend durch die Welt zu ziehen. Dabei müsste sie es besser wissen. Eine Studie nach der anderen weist nach, dass der Umsatzeinbruch bei den Verkäufen physischer Tonträger schlicht das Resultat geänderter Konsumgewohnheiten ist. Früher erwischte es Schellack, Vinyl und Kassette, jetzt ist die CD an der Reihe. Der Kunde wechselt zu Download und Stream.
Statt alle Energie in ein weltweit verfügbares, restriktionsfreies und bezahlbares Downloadangebot zu stecken, verschärfen die Rechteverwerter ihren Abwehrkampf. Im April gründeten öffentlich-rechtliche und private Rundfunkveranstalter, Musikindustrie, GEMA, Buchhandel und Verbände der Filmwirtschaft die »Deutsche Content Allianz«. Markige Sprüche waren zu hören. Der Gesetzgeber solle verhindern, »dass im Internet rechtsfreie Räume entstehen«, sagt ZDF-Chef Schächter. Die »ominöse Netzgemeinde« vertrete nicht immer die Interessen der Allgemeinheit, sagt Cheflobbyist Dieter Gorny. Er spürt wohl schon das Messer an seiner Kehle: »Wir werden auf dem Altar der digitalen Coolness geopfert.« Denn: »Die Kostenlos-Kultur im Internet zerstört die Basis der Kreativwirtschaft.«
Wenn die Allianz nach dem gescheiterten Kopierschutz nun eine Front gegen freie Werke eröffnet, lenkt sie von zwei Skandalen ab, die ihre Kunden in Scharen zu den Tauschbörsen treiben. Zum einen weigern sich die Label bis heute, ihre Backkataloge zu digitalisieren und gegen Bezahlung zum Download bereitzustellen. Wer alte Aufnahmen kaufen möchte, hat keine Chance. Er muss sie sich ertauschen. Zum anderen spielen die Rechteverwerter noch immer ihr globales Sandkastenspiel. Jeder baut sein Zäunchen um sein Gärtchen und verbietet dem Nachbarkind, mitzuspielen. Label XY verkauft seine Downloads nur in den USA, Label YZ nur in Europa, und wo es eine Einigung geben könnte, funkt die GEMA genussvoll dazwischen. Die Folgen kennt man von YouTube. Dort wird der User seit Jahren mit Sperrmeldungen genervt.
Da kann man nur noch mit Sarkasmus reagieren. Nach dem Prinzip »actio et reactio« formierte sich »Bust All Major Labels«. Wer eine kurze Zeile in den Sourcecode seiner eigenen Website kopiert, blockiert Sony, Warner, EMI, Universal und die GEMA. Wenn von dort jemand die Seite öffnen möchte, blickt er in sein Spiegelbild.
Jürgen Winkler