
Foto: Mary Evans / Imago Images
Lina Wertmüller drehte vor fast 50 Jahren einen Film über das Scheitern einer Klassengrenzen sprengenden Liebe
Bastian Tebarth
Raffaella Pavone Lanzetti ist eine besonders zynische Repräsentantin der Alta Borghesia. Während eines Segeltörns auf dem Mittelmeer überschüttet sie ihre Freunde, ebenfalls Snobs aus dem Großbürgertum, aber allesamt Leser der kommunistischen Tageszeitung L’Unità, mit beißendem Spott. Zwischen den verbalen Scharmützeln – etwa um Stalin-Hiroshima-Vergleiche und den historischen Kompromiss zwischen der kommunistischen Partei und Christdemokraten – übt sie sich im Müßiggang, hockt unter Deck oder sonnt sich oben ohne. Nebenbei demütigt die von Mariangela Melato gespielte Raffaella die Schiffsbesatzung, indem sie von den Mitgliedern verlangt, dass sie sich mehrmals am Tag umziehen, weil sie sonst angeblich zu sehr stinken würden. Vor allem aber maßregelt sie immer wieder den kommunistischen Matrosen und Schiffskoch Gennarino Carunchio (Giancarlo Giannini): Mal wird er gescholten, weil die Spaghetti nicht al dente sind, mal weil der Kaffee aufgewärmt serviert wird. In einer Szene »droht« sie ihm wegen einer anderen Lappalie süffisant grinsend mit der »Verbannung nach Sibirien«. Der 1974 entstandene Film »Travolti da un insolito destino nell’azzurro mare d’agosto« (Hingerissen von einem ungewöhnlichen Schicksal im azurblauen Meer im August) zeigt das politische Italien der frühen 1970er-Jahre als Farce.
Aber »Travolti« ist noch mehr eine Abhandlung über die Liebe in der antagonistischen Gesellschaft. Das, was die Regisseurin Lina Wertmüller inszeniert hat, ist so etwas wie eine Revolution auf der Ebene einer Paarbeziehung unter experimentellen Bedingungen. …
Der komplette Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 4/2021, erhältlich ab dem 17. September 2021 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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