
Foto: Ruben Ortega
Nach seinem Rauswurf: Der britische Filmemacher Ken Loach über den desolaten zustand der einst stolzen Arbeiterpartei
Die Regielegende des politischen Kinos ist Mitte August nach einer jahrelangen Hetzkampagne aus der Labour-Partei ausgeschlossen worden. Die M&R-Redaktion bat ihn um eine Einschätzung der Lage in seiner Partei, die wir hier dokumentieren:
»Die Demokratie in der Labour Party liegt im Sterben. Der linke Vorsitzende Jeremy Corbyn ist Opfer eines ›politischen Attentats‹ geworden, wie Journalisten es genannt haben. Sein Programm, das positive Veränderungen zugunsten der einfachen Leute, der Arbeiterklasse, bringen sollte, hat das Establishment derart erschreckt, dass sie ihn ausgeschaltet haben. Der neue Vorsitzende vom rechten Parteiflügel, Keir Starmer, ist fest entschlossen, die Partei von Corbyns Anhängern zu säubern – ich bin einer von ihnen.
Die Details sind entlarvend. Die Partei wird durch Diktate von Parteifunktionären geführt – Apparatschiks, die nicht gewählt wurden und offenbar nicht rechenschaftspflichtig sind. Die allerbesten und prinzipientreusten Aktivisten hingegen werden ausgeschlossen. Über 120.000 Mitglieder haben die Partei bereits verlassen.
Es stellt sich eine große Frage: Dass ein moderates linkes sozialdemokratisches Programm den Wählern nicht zur Abstimmung vorgelegt werden darf – was sagt das über unsere sogenannte Demokratie aus? Es gibt einen alten Witz: ›Wenn Wahlen etwas ändern würden, dann würden die Herrschenden sie abschaffen.‹ Nun, genau das haben sie gerade getan.«
Ken Loach
Übersetzung: Susann Witt-Stahl
Der Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 4/2021, erhältlich ab dem 17. September 2021 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.