Afrikanische Filmschaffende trotzen der westlichen Kulturindustrie mit dem Aufbau eigener Produktions- und Vertriebsstrukturen
Seit dem Erfolg von »Beasts of No Nation« haben westliche Medienkonzerne Afrika als Markt entdeckt. Das US-amerikanische Kriegsdrama erzählt vom Jungen Agu, der in einem westafrikanischen Bürgerkriegsland zwischen die Fronten gerät und zum Kindersoldaten ausgebildet wird. Die Verfilmung des gleichnamigen Buchs, die 2015 international zeitgleich in den Kinos und beim Streamingriesen Netflix lief, löste eine Art Hype aus. Netflix kündigt bereits wöchentlich neue afrikanische Serien an.
Über die Konzepte, Inhalte, Finanzierungsmodelle und Produktionsbedingungen wird jedoch in Kalifornien oder in Paris entschieden. Der französische Bezahlfernsehsender Canal+ beispielsweise schloss einen großen Deal mit Äthiopien ab. Damit soll nicht etwa die Film- und Kinolandschaft in dem armen ostafrikanischen Land gefördert, sondern es sollen Millionen von Abonnenten geworben werden. Dabei ist die zweitgrößte Filmindustrie der Welt (noch vor den USA) in Nigeria angesiedelt. Doch »Nollywood« fehle es an ökonomischem Know-how und Distributionsstrukturen, wie Mohamed Awad Farah, Präsident der Sudanesischen Filmemacher-Assoziation, auf M&R-Anfrage erläutert: »Da es Afrika bisher nicht gelungen ist, eine globale Content-Plattform zu etablieren, die mit Apple TV+, Netflix und Amazon ein größeres Segment von Inhalten teilt, kontrolliert das westliche Kapital den Markt.«
Die afrikanische Film- und Kinobranche vernetzt sich bereits seit Monaten, um Widerstand gegen diese Auswüchse des Neokolonialismus zu leisten. Das Cinema Spaces Network, ein neuer Zusammenschluss von Filmtheaterbetreibern aus afrikanischen Ländern, organisiert eine Genossenschaft. Durch diese sollen afrikanische Filme vor Ort angeboten und die Kinoinfrastruktur gestärkt werden. Mohamed Awad Farah hofft auf einen Aufbruch und zeigt sich optimistisch: »Unser Netzwerk ist erfolgreich darin, alle Cinema-Space-Aktivisten zu vereinen, die durch die kontinuierliche Entwicklung von Plänen und Strategien etwas bewegen und Entwicklungen durch gemeinsames Denken unter einem Dach voranbringen.«
Benjamin Trilling
Der Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 4/2021, erhältlich ab dem 17. September 2021 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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