
Gina Pietsch
Foto: Gabriele Senft
Erinnerungen für die Zukunft (2): »Also sangen wir seine Lieder erst recht.« Ein Besuch bei der Sängerin und Schauspielerin Gina Pietsch
Gerd Schumann
Berlin-Lichtenberg, ein Plattenbau. Gina Pietsch wohnt im obersten Stock, den Wolken nah. Der Blick vom umglasten Balkon fällt auf das satte Grün der Bäume und Pflanzen unten, dort, wo sich einst die Kleingartenanlage Dreieinigkeit befand. Von 1943 bis Kriegsende sei dort der spätere Entertainer Hans Rosenthal, ein Jude, als Jugendlicher von drei Berlinerinnen vor den Nazis versteckt worden, erzählt die Künstlerin.
70 Jahre danach sang sie in Mauthausen, bei der morgendlichen Gedenkfeier zur Befreiung des österreichischen KZs, an der Mauer mit dem seherischen Brecht-Gedicht von 1933, davor die Skulptur von Fritz Cremer: »O Deutschland, bleiche Mutter! / Wie haben deine Söhne dich zugerichtet / Daß du unter den Völkern sitzest / Ein Gespött oder eine Furcht.«
Ich singe jetzt seit einem halben Jahr wieder »Meinst du die Russen wollen Krieg?«
Pietsch genießt internationalen Ruf als Brecht-Interpretin. Sie rezitiert, singt und spielt ihn, seine Lieder mit den Kompositionen von Hanns Eisler oder Kurt Weill. Sie führt die Großen auf, auch Tucholsky und Kästner, und durch das Leben von Hedy Kiesler Lamarr (1914-2000), jüdische Schauspielerin und Erfinderin aus Österreich, antifaschistisch engagiert in Deutschland und später den USA. Eine Figur, divenhaft, klug und selbstbewusst, die Pietsch einiges abverlangt. Das fesselt.
Aus der »Mauthausen-Kantate« hat die Künstlerin »Asma Asmaton« (Lied der Lieder) ausgewählt. Es gehört zu ihrem Programm »Weil ich mich nicht Gesetzen beugte« mit Werken von Mikis Theodorakis. Persönlich habe sie den griechischen Komponisten auf dem Festival des Politischen Liedes Anfang der 1980er-Jahre kennengelernt; sie las vor Konzertbeginn aus einem seiner Tagebücher. »Ich wusste damals nicht, dass sie ihm unter der Folter das Bein gebrochen haben und wunderte mich, warum der so komisch dasaß.« Heute, zu seinem 90. Geburtstag, präsentiert sie 27 Lieder, begleitet von der Pianistin Christine Reumschüssel, und ist »unheimlich glücklich«, wenn sie ihn singen kann.
Den kompletten Artikel lesen Sie in der Melodie und Rhythmus 5/2015, erhältlich ab dem 28. August 2015 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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