Fotos (Montage): Whitehart 1882 (https://www.flickr.com/photos/143957286@n05/33008204393); Bradhoc (https://www.flickr.com/photos/bradhoc/32386931490), beide cc by 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0)
Der Literaturwissenschaftler Thomas Metscher und der Philosoph Wolfgang Fritz Haug über die Frage: Leben wir in einer eindimensionalen Welt mit einer Gesellschaft ohne Opposition?
Agenda Aufklärung wider den reaktionären Zeitgeist: M&R gibt sich die Ehre und bittet Intellektuelle mit gleichen emanzipativen Positionen, aber verschiedenen gesellschaftlichen, historischen, kulturellen Perspektiven und Erfahrungen zum Kritischen Duett.
Thomas Metscher: Uns vereint eine Reihe miteinander verbundener Motive. Als erstes ein tief sitzendes Unbehagen in der Gesellschaft, in der wir leben und deren Funktionieren wir langsam zu durchschauen begannen. Das zweite ist die wachsende Unzufriedenheit mit den uns akademisch offerierten kritischen Theorien dieser Gesellschaft; hier seien Adorno, Horkheimer, Marcuse genannt. Hinzu kam ein keineswegs ungebrochenes, im Kern jedoch offenes Verhältnis zu der Gesellschaft »jenseits der Mauer«, die sich »realer Sozialismus« nannte und von der wir im Grunde damals sehr wenig wussten. Das vielleicht Entscheidende aber, und auch der Hauptimpuls unserer Freundschaft, war, was ich im Rückblick das »Prinzip Hoffnung« nennen möchte; keineswegs ein abstrakter Utopismus oder irgendwelche romantischen Schwärmereien – auf die fielen wir auch damals nicht rein –, sondern, mit Brecht gesagt, lapidar, unterkühlt: die »Suche nach dem Land, in dem besser zu leben ist«, in dem »der Mensch dem Menschen ein Helfer«, der Boden bereitet ist »für Freundlichkeit«. Was, frage ich, ist von diesen Hoffnungen geblieben? Allem Anschein nach haben die Frankfurter doch Recht behalten. So Adorno und Horkheimer mit der These eines universalen Entfremdungszusammenhangs, den der hoch entwickelte Kapitalismus generiert und den keine reale Kraft mehr aufzubrechen vermag. So Marcuse, der in »Der eindimensionale Mensch« (ein Buch, erinnere ich, das du bereits in einer frühen Publikation einer fulminanten Kritik unterzogen hast) die Auffassung vertritt, dass in den entwickelten Industriegesellschaften traditionelle Differenzierungen aufgehoben sind, die Irrationalität des Ganzen dem manipulierten Bewusstsein unerkennbar geworden ist. Der weltgeschichtliche Status quo heute ist seit der Reconquista, wie ich die ansonsten so harmlos titulierte »Wende« zu benennen vorziehe, geprägt von der Dominanz eines neoliberalen Kapitalismus (= Imperialismus), der sich in seinen Kernländern kraft eines formal demokratisch verfassten Blocks neoliberaler Parteien an der Macht hält und in den geopolitischen Zonen der im heutigen Sinn Zweiten Welt seine Macht durch militä rische Interventionen und/oder inszenierte Stellvertreterkriege durchsetzt.
Den kompletten Artikel lesen Sie in der Melodie & Rhythmus 3/2017, erhältlich ab dem 30. Juni 2017 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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