
Foto: Klaus Pichler
Klaus Pichler reinszeniert den Esoterikmarkt als apokalyptische Hochglanzwelt
Interview: Bastian Tebarth
Der Wiener Fotograf arbeitet seit 15 Jahren an der Schnittstelle zwischen klassischer Dokumentarfotografie und bildender Kunst. Bevorzugt bewegt Klaus Pichler sich dabei an den Rändern der österreichischen Gesellschaft. 2016 hat er beispielsweise mit seiner Serie »Golden Days Before They End« Stammgäste von Wiener Beisln (Eckkneipen) porträtiert, die sicher in keinem Reiseführer zu finden sind. Seine 2017 in einem Buch erschienene Fotoreihe »This Will Change Your Life Forever« entstand nach einer zweijährigen Undercoverrecherche in der Esoterikszene und präsentiert mit tiefgründigem Humor die von ihr vertriebenen Produkte, Visualisierungen ihrer Theorien und Reinszenierungen ihrer Rituale. Die Arbeiten des 43-jährigen Fotokünstlers werden in Magazinen und Zeitungen wie The New Yorker und La Repubblica veröffentlicht und international ausgestellt – zuletzt in Moskau. M&R sprach mit Klaus Pichler über die Ästhetik der Überhöhung, das ausgeklügelte Marketing für Waren ohne Gebrauchswert und die Verbindung zwischen Esoterik und Naziokkultismus.
Herr Pichler, Sie haben Esoterikmessen besucht, sind unter falschem Namen in spirituelle Foren eingetaucht und haben Dutzende von Produkten im Internet gekauft, die allerlei Wunderwirkungen verheißen. Ihre Fotografien zeigen eine Hochglanzwelt von mit einer Aura umgebenen Gegenständen und Ritualen. Wie gehen diese affirmative Ästhetik und Ihre kritisch-investigative Recherche zusammen?
Ich habe relativ schnell gemerkt, dass ich keinen sozialwissenschaftlichen oder psychologischen, also rein rationalen Zugang wählen möchte, sondern einen künstlerischen mit einer Anordnung experimenteller Versuche, bei denen ich selbst mitwirke. Denn ich meine, dass man damit etwas spielerischer mit dem Thema umgehen kann.
Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen, einen Fotoband über Esoterik zu machen?
Das hatte einen persönlichen Grund. Zwei Bekannte von mir sind in diese Szene abgedriftet. Und das geschah mit einer so beängstigenden Geschwindigkeit und Intensität, dass ich gedacht habe, da muss etwas dahinter sein. Wenn man als rational denkender Mensch mit Esoterik konfrontiert wird, macht man normalerweise relativ schnell zu. Aber ich merkte, dass ich zwei Freunde verliere – damit musste ich mich dann schon auseinandersetzen.
Sie inszenieren auf Ihren Bildern »sakrale« Kult- und banale Alltagsgegenstände, die auf dem Esoterikmarkt angeboten werden. Die Ästhetisierung funktioniert – der Betrachter ist von der scheinbaren Großartigkeit des Gezeigten sozusagen geblendet.
Bereits durch das Sammeln und Anordnen erzeugt man eine gewisse Überhöhung. Bei der ästhetischen Gestaltung der Fotos war mir auch wichtig, dass das Ganze eine ansehnliche Fallhöhe erreicht. Aber eine Überhöhung ist keine plumpe Ironie.
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[↗] klauspichler.net
In der gedruckten Ausgabe:
Fotoreportage von Klaus Pichler: »Erleuchtung der Welt«
Esoterik als zweite Realität
Das komplette Interview erscheint in der Melodie & Rhythmus 2/2021, erhältlich ab dem 19. März 2021 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.