Nina Berman beleuchtet Machtstrukturen, Big Business und Konsumwelt der christlichen Rechten
Interview: Bastian Tebarth
Nina Berman hat als Fotografin in vielen Krisengebieten gearbeitet, etwa in Bosnien und Afghanistan. Seit der Jahrtausendwende dokumentiert sie aber vor allem Phänomene der Regression und des Zerfalls in ihrer Heimat, den Vereinigten Staaten. In den vergangenen 20 Jahren hat die New Yorkerin die Zusammenhänge zwischen Militarisierung und christlichem Fundamentalismus der amerikanischen Gesellschaft fotografisch analysiert. In »Purple Hearts: Back from Iraq« von 2004 porträtierte sie kriegsversehrte Soldaten. Weltweit bekannt wurde ihr Hochzeitsbild von einem schwer entstellten Irak-Veteranen, für das sie 2006 mit dem World Press Photo Award ausgezeichnet wurde. In ihrem 2008 erschienenen Band »Homeland« zeigt sie die USA als hochgerüstetes Land, in dem Paranoia und Antiaufklärung herrschen. Berman ist Professorin für Journalismus an der Columbia University New York. Ihre Arbeiten werden in Zeitungen wie Libération und The New York Times veröffentlicht und international ausgestellt. M&R sprach mit Nina Berman über ihr in »Homeland« dokumentiertes Projekt »Megachurches«, ihre Annäherung an die bizarre Parallelwelt der Evangelikalen, die Verknüpfung von Bildjournalismus mit Fotokunst und die Dekonstruktion der Ästhetik der Rechten.
Schon gut zehn Jahre vor der 2016er-Wahl von Donald Trump zum Präsidenten haben Sie sich mit sogenannten Megachurches beschäftigt, also Großkirchen mit häufig über 10.000 Plätzen. Ihre Bilder zeigen eine zumindest für Europäer fremde Welt. Wie wurden Sie als Fotografin aufgenommen – als Eindringling, dem man mit Skepsis begegnete?
Zunächst einmal war es so, dass ich die Reportage dem deutschen Geo-Magazin vorgeschlagen hatte – dessen Zusage hat mir sicherlich den Zutritt zu einigen Gemeinden erleichtert. In andere kam ich aber einfach auch als unabhängige Fotografin hinein – meist konnte ich mich dort frei bewegen. Es gab aber auch Situationen, in denen man mich nicht dabeihaben wollte: Bei den Kollekten kommt ja viel Geld zusammen, das sind dann schnell Zehntausende Dollar. In der Southeast Christian Church in Louisville, Kentucky, der mittlerweile viertgrößten Kirche der USA, wollte ich beispielsweise Bilder vom Zählen dieser Spenden machen. Das wurde von der Gemeinde abgelehnt. Stattdessen fotografierte ich dann die örtliche Polizei, die man zur Bewachung des Geldes angeheuert hatte. Das Interessante dabei war, dass die überwältigende Mehrheit der Gemeindemitglieder Weiße, die Polizisten hingegen Schwarze waren.
Die Megakirchen gleichen Freizeitzentren: Angeschlossen sind riesige Parkhäuser, Sporthallen, Geschäfte, Cafés und Schnellrestaurants. Wie funktioniert diese Verbindung der sakralen mit der kommerziellen Welt?
Der Neoliberalismus hat mit seinem Sozialabbau und seiner Demontage staatlicher Institutionen den Raum für diese Großkirchen geschaffen, die keine Steuern zahlen, keiner öffentlichen Kontrolle unterliegen und deren Angebote weit über den herkömmlichen Gottesdienst hinausgehen. …
[↗] ninaberman.com
In der gedruckten Ausgabe:
Fotoreportage von Nina Berman: Make God Great Again
Evangelikale Großkirchen in den USA
Das komplette Interview erscheint in der Melodie & Rhythmus 1/2021, erhältlich ab dem 18. Dezember 2020 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.