Melodie & Rhythmus

»Mutige un drajsste zum schlacht«

30.08.2016 14:51
Jüdische Widerstandskämpfer nach der sowjetischen Einnahme von Vilnius 1944 Foto: CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6488143

Jüdische Widerstandskämpfer nach der sowjetischen Einnahme von Vilnius 1944
Foto: CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6488143

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Jüdische Partisanenlieder als musikalische Zeugnisse des Widerstandes im zweiten Weltkrieg

Morgan Nickolay

Der weg is schwer, mir wejssn,
Der kamf nit lajcht, kejn schpil.
A partisan sajn lebn lejgt in schlacht,
Farn grojssn frajhajt-zil!

Es sind Zeilen wie diese, die von einem unermüdlichen Kampfgeist und Widerstandswillen zeugen – Zeilen, die Angehörige der jüdischen Partisanenverbände während ihres Kampfes gegen die Faschisten sangen. Zeilen, die antreiben, Mut und Hoffnung spenden. Zeilen, geschrieben von Schmerke Kaczerginski, einem jüdischen Partisanenkämpfer, dem im Jahr 1942 die Flucht aus dem Ghetto von Vilnius gelang. Der junge Mann erkämpfte in den weißrussischen Wäldern mit dem Gewehr in der Hand die Freiheit des jüdischen Volkes und konnte schließlich im Jahr 1944 in seine geliebte Heimatstadt Vilnius zurückkehren.

Es ist Anfang September 1941, als in Vilnius das Ghetto errichtet wird. Hier findet sich der damals 33-jährige Schmerke Kaczerginski mit etwa 40.000 jüdischen Mitgefangenen wieder. Es sind grausame Zeiten, in denen eine Säuberungswelle der nächsten folgt und die Zahl der Ghettobewohner um Tausende schrumpfen lässt. Unter höchst lebenswidrigen Umständen, Hunger und Kälte, trotzen die Gefangenen ihrem unausweichlichen Schicksal und errichten eine Krankenstation, eine Schule, eine Bibliothek und sogar ein Theater innerhalb der Ghettomauern. Je verzweifelter die Situation wird, umso mehr Lieder werden für die Theater- und Kabarettrevuen geschrieben, um eine widerständige Haltung zum Ausdruck zu bringen – zunächst in verschlüsselter, bald in offener Form. In diesen Liedern können verschiedene Stimmungen wie Trauer, Sehnsucht oder Mut ausgedrückt werden, und sie dienen auch der Aufrechterhaltung des Selbstwertgefühls. Doch unabhängig von der Stimmung beinhalten alle Lieder eines: Identität. Schon allein durch die gesungene Sprache Jiddisch grenzt man sich ab und steht automatisch im Widerstand. »Das Lied als solches war eine der größten Ermutigungen und Unterstützungen für den Menschen und sein Denken. Es leistete einen gewaltigen Beitrag, um weiterhin wie ein Mensch leben zu können«, erinnert Sima Skotkowicz, eine Überlebende des Holocausts aus Vilnius.

Nach seiner Flucht aus dem Ghetto schließt sich Schmerke Kaczerginski der Farejnikte Partisaner Organisazje (FPO) an, die durch den Zusammenschluss zionistischer Jugendverbände und kommunistischer Gruppierungen am 21. Januar 1942 gegründet worden war. Für die offizielle Hymne der FPO, den »Partisaner-marsch«, schreibt Kaczerginski den Text auf die Melodie des »Einheitsfrontliedes« von Hanns Eisler und Bertolt Brecht, welches seit Mitte der 1930er-Jahre unter Freiheitskämpfern in ganz Europa bekannt ist. So heißt es im neuen Refrain:

Hej F. P. O.!
Mir sajnen do!
Mutige un drajsste zum schlacht.
Partisaner noch hajnt,
Gejen schlogn dem fajnt,
Inem kamf far an arbeter-macht.

Den kompletten Artikel lesen Sie in der Melodie und Rhythmus 5/2016, erhältlich ab dem 2. September 2016 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.

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