Spuren jüdischen Glaubens im Werk des Komponisten Gustav Mahler
Andreas Jacke
Die Musik des österreichischen Komponisten Gustav Mahler ist heute populärer denn je. Bedeutende Dirigenten wie Claudio Abbado oder Leonard Bernstein haben sich ihr verschrieben, und seit ihrem Einsatz in Luchino Viscontis Film »Tod in Venedig« (1971) wird sie von Generation zu Generation wiederentdeckt. Gerade ihre chaotische Verspieltheit und ihr sehr direkter und heftiger emo tionaler Ausdruck stemmen sie gegen die sonst oft erstarrten Kontexte klassischer Musik. Mahler inszeniert das Tragikomische – das meint, dass die Emotionen hier oftmals umschlagen von Tragik in Parodie und wieder zurück.
1960 veröffentlichte Theodor W. Adorno eine Studie zu Mahler, die seine kritische Monografie über Richard Wagner (1937/38) ergänzte. Adorno war einer der Ersten, der den Versuch unternahm, Mahlers spezifischen Musikausdruck philosophisch zu deuten. Er bahnte damit seinerzeit der Wiederentdeckung dieses jüdischen Künstlers den Weg. Mahler war 1897 zum Katholizismus konvertiert, um als Kapellmeister an der Wiener Hofoper arbeiten zu dürfen. Durch seine Kindheitserinnerungen, die ein fester Bestandteil seiner Musik sind, blieb er seiner jüdischen Herkunft jedoch stets verbunden. Zu der Frage des »jüdischen Elements« bei Mahler schrieb Adorno: »Der Versuch, es zu verleugnen, um Mahler für einen vom Nationalsozialismus angesteckten Begriff deutscher Musik zu reklamieren, ist so abwegig, wie wenn man ihn als national-jüdischen Komponisten beschlagnahmt.« Was an Mahlers Musik jüdisch ist, war nach Adorno weniger bestimmt durch Motive der jüdischen Musiktradition, sondern vielmehr durch die geistige Haltung des Komponisten.
Im Kontrast zu Wagner
Das spezifisch Jüdische bei Mahler kann mit den notwendigen Verkürzungen im Vergleich mit seinem Vorbild Wagner verdeutlicht werden, in dessen Werk sich besonders christliche Züge aufzeigen lassen. Bekanntlich hat Nietzsche »Parsifal« (1882) nicht gemocht, weil er ihm – gegenüber den heidnischen Themen, die Wagner davor bearbeitet hatte – als zu christlich vorkam. Dabei haben Christen- und Heidentum nach Sigmund Freud vieles gemeinsam; dazwischen liegt das Judentum als eine Religion, die – wie Mahlers Musik – abstraktere und sublimere Gefilde anvisiert und letztendlich die Form einer sinnlichen, figürlichen und bildlichen Darstellung übersteigt.
Den kompletten Artikel lesen Sie in der Melodie und Rhythmus 5/2016, erhältlich ab dem 2. September 2016 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.