»Wenn ein Mensch lebt«: Auf der Tonspur der Deutschen Film AG (DEFA) – Musiken, Geräusche, Atmosphäre
Was bleibt von der Tonspur der DEFA (Deutsche Film AG). Hier ein Best- Of-Trailer: Die prächtige Eröffnung der Orchesterpartitur am Anfang von »Die Mörder sind unter uns« (Komponist: Ernst Roters). Der Jubel, als Murat die Kriegserklärung des Sultans zerreißt in »Der kleine Muck«. Das Vogelzwitschern, das der befreite Höfel im KZ Buchenwald in »Nackt unter Wölfen« plötzlich hören kann. Die kühne Montage von Geigenmusik, Gagarins Funkspruch zur Erde und Bremsprobe des neu gebauten Zugs in »Der geteilte Himmel« (Komp.: Hans-Dieter Hosalla). Das sich entfernende Armeeauto in »Ich war 19«, aus dessen Lautsprecher das von Ernst Busch gesungene Lied von der Jaramafront (Komp.: Paul Douliez) schallt.
Dann die Sprengung eines Altbaus in der Berliner Fruchtstraße, in den Trümmerstaub hinein hackt das Klavier die Anfangsakkorde von »Wenn ein Mensch lebt« (Peter Gotthardt/Ulrich Plenzdorf), interpretiert durch die Puhdys in »Die Legende von Paul und Paula«. Der Klang der einsamen Geige, als Jakob sich zu einem Abendspaziergang durchs Ghetto aufmacht in »Jakob der Lügner« (Komp.: Joachim Werzlau). Das nächtliche Warten der verliebten Susanne mit Renfts »Als ich wie ein Vogel war« (Thomas Schoppe/Gerulf Pannach) in »Für die Liebe noch zu mager«. Oder der ausgelassene Tanz von Sonja und Tilli zum City-Instrumental in »Bis dass der Tod euch scheidet«. Das Solo von Sunny in der Bar in »Solo Sunny« und das einzelne Akkordeon zur Festnahme des Wehrmachtsgefreiten Mark Niebuhr in »Der Aufenthalt« (beide: Günther Fischer).
Zu erleben ist im Rückblick ein sich wandelnder Umgang mit der Tonspur im DEFA-Studio. Das hat mit Zeitgeschichte, auch mit Zeitgeist zu tun. Lange noch liefen nach 1945 scheinbar unsterblich die untermalenden, lauten, schweren Orchesterstücke der Nachkriegsfilme, im UFAStil, denn Pathos und Kintopp zusammen zu denken, war auch in den ostdeutschen 1950ern recht üblich – und das trotz veränderter Inhalte, oft politisch ambitioniert in der Aufklärung über die Nazizeit und in der Thematisierung sozialistischen Beginnens.
Angelika Nguyen, geboren in Berlin/DDR, Studium der Filmwissenschaft an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) Babelsberg, schreibt regelmäßig Filmkritiken u.a. für telegraph.cc, der Freitag, WerkstattGeschichte
Den kompletten Artikel lesen Sie in der Melodie und Rhythmus 5/2015, erhältlich ab dem 28. August 2015 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.