Gerhard Schöne, Reinhard Lakomy, Monika Ehrhardt: Musik für Kinder und wie sie im Osten weiterlebt
Keine Frage: Zu den frühen musikalischen Erinnerungen der allermeisten in der DDR aufgewachsenen Menschen dürfte die »Kleine weiße Friedenstaube« gehören. Dieses Lied lernte man schon im Kindergarten. Neben Spaß und Klassikern des Kinderliedgutes wurde im ersten sozialistischen Staat auf deutschem Boden großer Wert auf die Vermittlung humanistischer Werte, aber eben auch politischer Positionen gelegt, die nach Meinung der Staatsführung jeder früh verinnerlichen sollte. Ob das bereits in den ersten Schuljahren vorgeschriebene Intonieren von »Soldaten sind vorbeimarschiert« zum Tag der Nationalen Volksarmee und zu anderen Anlässen tatsächlich zur Identifikation mit dem DDR-Sozialismus beitrug, darf im Rückblick getrost bezweifelt werden.
Über das Lied »Wenn Mutti früh zur Arbeit geht« ist viel geschrieben worden: Gefeiert wird darin die berufstätige Mutter, die abends spät erschöpft von der Arbeit nach Hause kommt – und ein vom braven Kind, vorzugsweise einem Mädchen, aufgeräumtes und gefegtes Haus vorfindet. Das hat dann auch ein »Puppenkind / Das ist so lieb und fein / Für dieses kann ich ganz allein / Die richt’ge Mutti sein.« Ein Beispiel für wenig gelungene Didaktik einerseits – keiner mochte dieses Lied – und, nun ja, Vorbereitung auf die Fortführung der klassischen Arbeitsteilung daheim, zusätzlich zur Berufstätigkeit.
Wesentlich beliebter waren Lieder wie der »Drahtesel«. An unserer Schule gab es einen Jungen, der immer einen leicht wahnsinnigen Eindruck machte – heute bekäme er vermutlich Ritalin: Ich erinnere mich, wie er auf diese Weise, Text und sehr flotte Melodie von dem Komponisten Henry Kaufmann, voller Inbrunst in atemberaubendem Tempo über den Fahnenappellplatz schmetterte:
»Fahr schnell an der Post vorbei / Der Brief muss weg bis viertel Drei / Dann fährst du noch zur Drogerie / Für unsre Tante Kati / […] Drahtesel, wenn ich mit ihm durch die Straßen flitz / Wie der Blitz macht es / Kling, klingelingeling, dann kommt mein Drahtesel, Drahtesel / Sagen alle Ei-Potz-Blitz / Da kommt der flinke Fritz«. In diesem Lied wird auch die größten Fahrradlegende der DDR erwähnt: »Fritz quält ein Gedanke nur / Er möcht so sein wie Täve Schur / Doch wie fängt man’s am besten an / Dass man so stark sein kann?«.
Jana Frielinghaus, aufgewachsen in Bergholz (Uckermark), hat in Berlin (Humboldt- Universität) Landwirtschaft studiert, arbeitet seit 1999 als Redakteurin der Tageszeitung junge Welt in Berlin, lebt mit Mann und drei Kindern im Oderbruch (Ostbrandenburg)
Den kompletten Artikel lesen Sie in der Melodie und Rhythmus 5/2015, erhältlich ab dem 28. August 2015 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.