Foto: Stephane Mahe
Bei Kate Bush erweist sich Sigmund Freud als unfreiwilliger Pionier der Androgynität
Gisela Sonnenburg
Eines meiner Lieblingsbücher ist der fünfte Band der Sigmund-Freud- Studienausgabe. Sein Titel – »Sexualleben« – ist so schlicht, dass man glauben könnte, da fehle etwas. Kate Bush kenne ich seit meiner Pubertät. Ihre LP »The Kick Inside« von 1978 war Kult, allemal die »Including Hit-Single« »Wuthering Heights«. Faszinierend fand ich eine stille, zarte, kurze Ballade, die mit Klavierbegleitung zur Frauenstimme auskommt: »The Man with the Child in His Eyes«. Sicher war ich nicht die einzige Pubertierende, der genau dieser Song exzellent behagte. Warum? Darum: Das lyrische Ich im Text, der, wie die Musik, von Kate Bush stammt, ist ein liebendes Ich. Es spricht zu einem Mädchen (»my girl«), das es selbst ist: Der Song ist ein Monolog, ein Selbstgespräch. Wichtiger als das Reden ist dennoch das Hören, womit der Song auch anfängt: »I hear him before I go to sleep.« Ich höre ihn, bevor ich schlafen gehe. Die Stimme, die besungen wird, ist nicht real, sondern eine innere, eine imaginierte. Die dazugehörige Person – ein Mann – wird in der Gedankenwelt beim Zubettgehen präsent. Es ist dieser Moment des Umschaltens, der beschworen wird, auch musikalisch, mit weihevoll-dunkler Melodie: Transformationen, Übergänge liegen in der Luft.
Den kompletten Artikel lesen Sie in der M&R 5/2014, erhältlich ab dem 29. August 2014 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.