
Foto: Torben Loth
Ed Prosek macht Musik so weich wie die Arme von Meat Loaf
Christoph Schrag
»Truth« – Wahrheit. So heißt die jüngste Platte von Ed Prosek. Er hätte sie aber genauso gut »Trost« nennen können. Denn seine Musik verströmt gerade in ihren leiseren Momenten eine solche Wärme und Zärtlichkeit, dass man sich in den dicken weichen Armen wähnt, die Meat Loaf in »Fight Club« um den wehrlosen Edward Norton wirft. Es sind Songs, in denen Ed Proseks Gitarre klingt wie ein Echo von Nick Drakes Zupf-Memoiren und seine Stimme wie ein Patrick Watson, der an Jeff Buckley denkt.
»And this is how it feels to be drowned
in holy water / You burn the only thing
you love to make you stronger.« –
Holy Water
Der Mann mit dieser gesegnet geschmeidigen Stimme kommt aus einem sehr berühmten Ort in Kalifornien, dessen Namen aber niemand kennt. Und das, obwohl viele ihn im Kino gesehen haben – als Endor. Für alle, die sich im »Star Wars«-Universum dauernd verfliegen: Das ist das waldige Zuhause der flauschigen Ewoks aus Episode VI. Für Ed Prosek war mit Erreichen des Heranwachsenden- Alters jedoch klar, dass Flucht die einzige Antwort auf diese Kindheit im entlegenen Dickicht sein konnte: »Wenn du an einem Ort mit fünf Einwohnern aufwächst, weißt du irgendwann, dass du da raus musst. Du musst abhauen.« Nach einer Ausbildung am Konservatorium in San Francisco tauschte Ed mit 20 Jahren die kalifornischen Redwoods endgültig gegen die Sommerferienkulisse von Brighton, Südengland. Auch wenn er von zu Hause einiges an Musikalität mitgenommen haben dürfte – die Mutter war Opernkomponistin –, ist er überzeugt, dass der Abstand ihm guttut: »Die Beziehung zu Eltern und der Heimat wird schlagartig besser aus so ungefähr 7.000 Meilen Entfernung.« Vielleicht half auch der Umstand, dass er mit seiner ersten EP in England gleich einen Erfolg feiern konnte und einen Verlag fand.
»And in the end / You’re left with
noth ing but the ashes / And the
chance to start again.« – Holy Water
Seither ziehen seine Musik und sein Name stetig weitere Kreise. Mit einer Single stand er vor zwei Jahren auf Platz eins in den Charts bei Hypemachine, einem Klick-Zähler für Songs, die in Blogs verlinkt sind. »Bis dahin wusste ich noch nicht einmal, was Hypemachine ist«, sagt der Musiker, der seine Tracks auf dem eigenen Label herausbringt. Ein anderer Titel wurde für einen Charity-Sampler ausgewählt, wo er plötzlich neben Künstlern wie Sting oder Lorde zu hören war. Inzwischen hat Ed Prosek drei EPs veröffentlicht, eine Band um sich geschart und neben Brighton noch eine zweite Heimat erobert: Berlin. Von hier aus hat er im Frühjahr eine Deutschlandtour absolviert. Den Sommer über wird er in einem Studio in Tempelhof an neuem Material arbeiten.
Die »Wahrheit« auf seiner aktuellen EP »Truth« ist am Ende des Liedes übrigens erwartungsgemäß die Liebe. Aber auch wenn Ed mit seinem erdigen und butterweichen Sound nicht eben auf Überraschungen setzt, sondern auf das Einlösen vertrauter Versprechen – er hat, was es braucht, um die großen Worte und Töne des Pop mit Gefühl und Geschmack zu füllen.
Nicht zwingend Wahrheit, aber Trost.
Ed Prosek Truth (EP)
Self-Release
www.edprosek.com
Der Beitrag erscheint in der Melodie und Rhythmus 4/2016, erhältlich ab dem 1. Juli 2016 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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