
Foto: Ralph Freso (Reuters)
Amazon & Co verwandeln die Musikkulturlandschaft in eine Wüste
Eine schöne Nachricht? Die Schallplatte gewinnt wieder neue Fans: In den USA wuchs der Anteil verkaufter Platten 2014 um 52 Prozent. Auch in Deutschland nimmt der Verkauf stetig zu, zuletzt um 47,2 Prozent, allerdings ohne den zugunsten der Streaming-Dienste schrumpfenden CD-Markt wirklich zu gefährden. Zu den profitversessenen Strategien der Musikindustrie gehört natürlich auch das Unschöne. Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass sich das kulturelle Rad zurückdrehen ließe: Die Nutzung von Streaming-Diensten und Bündelangeboten ist inzwischen so verbreitet, dass Veröffentlichungen auf Schallplatten auch in Zukunft nur einen verschwindend kleinen Teil am Gesamtumsatz haben werden. Hinzu kommen Engpässe beim Rohstoff Vinyl, die Verschrottung von Vinylpressen beim Siegeszug der CD und das Fehlen von Musikalienhandlungen.
Der Musikfachhandel hatte tödliche Gegner. Zum einen die Musikindustrie selbst, die kleine Läden bei den Lieferungen zugunsten von Großabnehmern wie den Media-Märkten benachteiligte (das zwang seit den 90er-Jahren viele Händler zum Aufgeben). Als Plattmacher der Kulturlandschaft aber gebärdet sich der Internethandel, allen voran der »weltgrößte Versand- und Onlinehandel« Amazon. Um die Kosten für den Vertrieb zur Profitsteigerung unter durchschnittlich 19 Prozent des Verkaufspreises zu drücken, bezahlt er Stundenlöhne zwischen 9,65 und 11,11 Euro und verweigert humane Arbeitsverträge. Schon seit zwei Jahren wird darum bei Amazon immer wieder gestreikt. Es müsste für Musikliebhaber einen Ehrenkodex geben: Boykottiert Amazon!
Burkhard Baltzer
Der Beitrag erscheint in der Melodie und Rhythmus 4/2015, erhältlich ab dem 26. Juni 2015 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
Ähnliche Artikel:
