Václav Marhoul bringt den im Kalten Krieg umstrittenen Roman »The Painted Bird« auf die Leinwand
Holger Römers
Gleich der erste gesprochene Satz in dem Film beinhaltet einen Vorwurf. »Das ist deine Schuld«, bekommt der junge Protagonist zu hören, nachdem er von Gleichaltrigen verprügelt worden ist. »Du darfst nicht allein rausgehen«, fügt seine Tante, bei der Joska (Petr Kotlár) wohnt, hinzu, bevor sie ihn mit einer Redewendung zur Reinlichkeit ermahnt: »Schmutzige Schuhe – ein halber Mensch!«
Solchen Halbsätzen wird im Verlauf der episodischen Handlung eine bittere Bedeutung zuwachsen, denn das Leid, das der Junge erduldet, hat er natürlich in keiner Weise zu verantworten. Wenn die alte Frau bald stirbt und ihr Bauernhof in Flammen aufgeht – die Filmhandlung spielt, nur vage in Osteuropa verortet, während des Zweiten Weltkriegs –, bleibt ihm zudem keine Wahl, als allein umherzuziehen, wobei er unter anderem in die Fänge beziehungsweise Gefangenschaft einer Wunderheilerin, eines Vogelfängers und eines Schnapsbrenners gerät. Die Verrohung dieser Menschen führt derweil jeden Gedanken an die anfangs eingeforderten Sekundärtugenden ad absurdum. …
[≡] The Painted Bird
Regie: Václav Marhoul
Drop Out Cinema
Der komplette Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 3/2021, erhältlich ab dem 18. Juni 2021 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.