Willi Sittes vitalistische Ästhetik
Peter Arlt
Von Willi Sitte gemalt zu werden, verband sich mit der witzigen Vorstel- lung einer rosafarbigen Fleischlichkeit. Doch würde dabei an schieres Fleisch gedacht, das aus drei Vierteln Wasser, fast einem Viertel Eiweiß, etwas Fett und wenig Mineralstoffen besteht, oder an das durch Knochen, Sehnen und Knorpel zusammengehaltene Fleisch, sprächen wir nicht über Malerei.
Wer bei Willi Sittes Darstellungen von weiblichen Körpern über »quellende Fleischbatzen« spottet wie der Kritiker Christoph Tannert, verwechselt Farbmotiv mit Naturform. Er sieht nicht, wie »die Farbe sich aus der Gegenstandsbindung löst, um Ausdrucksträger […] zu werden«, so der Kunsthistoriker Hermann Raum. Wer Bedeutungsebenen durcheinander- bringt, obwohl er grundlegendes Wissen über Ästhetik durchaus sein Eigen nennt, erheischt eine politische Aburteilung Sittes und will zusammen mit der Person auch die Bilder als »instrumentalisierte Staatskunst« und als »Unkunst« ablehnen. Hier hängt das »Fleisch« der Bilder Sittes am Haken der sozialistischen Gesellschaftsidee, was einem CSU-Minister in einer Ausstellung als Auftrieb einer »trojanischen Herde« dünkte.
Willi Sittes Intention ist vergleichbar mit der des Bildhauers Alfred Hrdlicka: »Fleischmachen ist das zentrale Anliegen der bildenden Kunst.« …
Der komplette Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 3/2021, erhältlich ab dem 18. Juni 2021 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.