Musikwissenschaftler Matt Parker untersucht die von Eric Hobsbawm marxistisch inspirierte Londoner Jazzszene der 1960er-Jahre
Bastian Tebarth
Joe Harriotts Bedeutung für die Entwicklung des europäischen Jazz wurde erst lange nach seinem Tod gewürdigt. Heute wird sein Werk mit dem von US-amerikanischen Größen wie Ornette Coleman verglichen. Der 1928 im jamaikanischen Kingston geborene und 1951 nach Großbritannien emigrierte Harriott gehörte de facto zu den Pionieren des freien Jazz. Das, was Harriotts Spielweise von der seiner US-Kollegen wesentlich unterschied, waren die Betonung der Gruppenimprovisation und der permanente Dialog der Musiker. Die postume Kritik sah das Frühwerk des 1973 verarmt und im Alter von gerade einmal 44 Jahren an Krebs verstorbenen Harriott als den ersten Ausdruck eines »authentisch britischen« Zugangs zur Jazzimprovisation. Auch der Musikwissenschaftler Matt Parker, Autor des kürzlich erschienenen Buches »Subversion Through Jazz. The Birth of British Progressive Jazz in a Cold War Climate«, stellt im Gespräch mit M&R heraus, dass Harriott etwas besaß, »was zu dieser Zeit in Großbritannien sonst niemand hatte: Authentizität« – er versuchte schlicht, nicht »amerikanisch zu klingen«.
Doch dass es dieser Jazzaneignung durch britische Musiker wie Harriott trotz ihres oft antiamerikanischen Impetus weniger um die Ausbildung einer »nationalen Authentizität« als um eine internationalistische Haltung ging – das legt Parker in seinem Buch zumindest nahe. Er arbeitet heraus, dass sich in der Musik Harriotts die Verwirklichung eines durch die kommunistische Weltanschauung inspirierten Jazzverständnisses finden lässt.
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[≡] Matt Parker
Subversion Through Jazz
The Birth of British Progressive Jazz in a Cold War Climate
Jazz in Britain Ltd.
285 Seiten
Der komplette Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 2/2021, erhältlich ab dem 19. März 2021 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.