Kolumne von Henning Venske
Der Russe hat Schuld. An allem. Das weiß man. Der Russe ist verantwortlich für den Tod Jesu, den Dreißigjährigen Krieg, die Pest und die Deutsche Bahn. Der Russe hat die Völkerwanderung und den Untergang von Atlantis verursacht, er hat das World Trade Center in New York nachhaltig destabilisiert, den Iran gegründet, er hat sich in Leipzig-Connewitz eingenistet, Adolf Hitler überfallen und das Hamburger Polizeigesetz entworfen. Der Russe steckt auch hinter der deutschen Dieselaffäre. Denn solche abscheulichen Betrügereien, ausgerechnet in der deutschen Autoindustrie, nein, das macht der Deutsche nicht – das weiß jeder. Natürlich hatte die deutsche Industrie schon immer ein besonderes Verhältnis zum Gas, aber der Russe hat Schuld, wenn jetzt die ganze Welt glaubt, die Deutschen betrügen sie auch noch mit den Abgaswerten …
Zu allem Überfluss hat der Russe vor 200 Jahren auch die Satire erfunden − federführend war ein gewisser Николай Васильевич Гоголь (Nikolai Wassiljewitsch Gogol). …
Der Spottkünstler
Henning Venske ist eine lebende Legende des politischen Kabaretts in Deutschland. Auch als Schriftsteller gelingt es ihm bis heute, das Publikum ebenso köstlich zu unterhalten wie intellektuell herauszufordern. 1939 in Stettin geboren, studierter Germanist und Historiker, begann er 1961 eine Schauspielerlaufbahn mit einem Engagement an einem Berliner Theater, ehe er 1967 ans Thalia-Theater nach Hamburg ging, wo er auch für Rundfunk und Fernsehen zu arbeiten begann: Von 1971 bis 1974 moderierte er die NDR-Sendung »Musik aus Studio B«. Als Chefredakteur der Satirezeitschrift Pardon zog Venske bis zur Einstellung des Blatts 1982 mit bitterbösem Humor gegen die »verkrusteten Verhältnisse« zu Felde. Das mehrjährige Engagement als Ensemblemitglied, Autor und Regisseur bei der Münchner Lach- und Schießgesellschaft war ein Höhepunkt seiner Karriere. Venske, der den subversiven Spott zur Kunst erhoben hat und nichts und niemanden schonte, wurde immer wieder als öffentliches Ärgernis wahrgenommen: Sendeverbote waren die Folge.
2018 ging er mit dem Programm »Summa Summarum« auf Abschiedstournee. 2019 erschien unter dem gleichen Titel seine »ultimative satirische Abrechnung mit den größten Gemeinheiten der letzten 50 Jahre« als Buch.
Foto: Frank Koschembar
Die komplette Kolumne erscheint in der Melodie & Rhythmus 2/2020, erhältlich ab dem 13. März 2020 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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