Songanalyse

»Political Science« – Randy Newman
Im Jahr 1972 veröffentlichte der US-amerikanische Liederschreiber und Sänger Randy Newman seinen im Duktus eines weichen Rhythm and Blues geschriebenen satirischen Song »Political Science«. Der stimmliche Part gemahnt größtenteils eher an Sprechgesang – nicht zuletzt wohl, um den Worten gebührende Präsenz zu verschaffen. Der Klavierpart basiert auf standardmäßigen, leicht modifizierten Bluesharmonien. Der nasale Gesang Newmans und die nahezu lethargische Beiläufigkeit des Vortrags tun ein Übriges, um die Ungeheuerlichkeit dessen, worum es in diesem Song geht, herauszustreichen. Denn mit einer repetitiv zu jazzig-swingender Bewegung animierenden Musik wird nichts anderes propagiert, als die Atombombe abzuwerfen, um zu schauen, »was dann geschieht«.
Anfang der 70er-Jahre herrschte der Kalte Krieg in voller grausiger Blüte. Es ist eine Ära, in der die Atombombe bereits zweimal gezündet worden war und sich beide bis an die Zähne nuklear bewaffneten Blöcke in einer globalen Konkurrenz zwischen Kapitalismus und Sowjetkommunismus mit dem sogenannten Gleichgewicht des Schreckens gegenseitig in Schach hielten. Diese Zeit war von dem Bewusstsein zweier barbarischer Weltkriege und der permanenten Bedrohung durch neue Eskalationen gekennzeichnet und hatte bereits 1955 das Russell-Einstein-Manifest gegen den Einsatz von Nuklearwaffen gezeitigt. …
Moshe Zuckermann ist Kunsttheoretiker und lehrt an der Universität Tel Aviv (u. a. Kritische Theorie). Er hat diverse Bücher und Aufsätze über Kunstautonomie und zur Kulturindustriethese von Theodor W. Adorno veröffentlicht. Darunter »Kunst und Publikum. Das Kunstwerk im Zeitalter seiner gesellschaftlichen Hintergehbarkeit«. In den 1970er-Jahren war er als Komponist und Arrangeur tätig. Foto: Arne List
Die komplette Songanalyse erscheint in der Melodie & Rhythmus 2/2020, erhältlich ab dem 13. März 2020 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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