Visionen der Kunst in der Moderne
Moshe Zuckermann
Setzt man den Beginn der europäischen Moderne mit dem Ausgang des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts an, kann man sie als in ihrem Wesen fortschrittsgläubig, mithin emanzipativ ausgerichtet begreifen. Darauf durfte man sich angesichts einer die gesellschaftlichen Strukturen rapide verändernden industriellen Revolution, der die alten politischen Formationen von Grund auf umwälzenden Französischen Revolu tion und der emphatischen geistigen wie kulturellen Auswirkungen der Aufklärung berufen. Die sich im nationalstaatlichen Rahmen etablierende bürgerliche Gesellschaft rühmte sich eines neuen Menschen bildes – der Vorstellung vom Menschen als ein sein eigenes Leben bzw. als Kollektiv seine historischen Geschicke selbst bestimmendes Subjekt. Entsprechend zelebrierte Kant den »Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit«. Und Hegel beschwor den dialektisch verlaufenden, auf Befreiung ausgerichteten progressiven Prozess der Geschichte.
Dies ist für den Zusammenhang, der hier erörtert wird, von einiger Bedeutung. Denn, wie von Jürgen Habermas seinerzeit dargestellt, veränderte sich mit Hegels Vorstellung vom universellen Verlauf der Geschichte auch der herkömmliche Begriff von der Zeit. Ging man noch im mittelalterlichen Kosmos weitgehend von der religiös bestimmten Vorstellung eines unter Gottes Vorsehung und Obhut verlaufenden menschlichen Schicksals aus, bei dem das gegenwärtig Bestehende sich von der Vergangenheit ableitete und die Erlösung verheißende Zukunft ins Jenseits delegiert wurde, so erhob das Menschenbild der Moderne den Anspruch auf eine fortwährende Gegenwart, in welcher der Mensch im Hinblick auf eine von ihm selbst mit Zwecken, Zielen und Bestrebungen angefüllten Zukunft agiert, die er als souveränes Subjekt zu verwirklichen vermag. Die Zukunft öffnete sich gleichsam in dieser modernen Vorstellung als ein von den Menschen historisch zu gestaltender Zeit-Raum.
Den kompletten Artikel lesen Sie in der Melodie und Rhythmus 2/2016, erhältlich ab dem 26. Februar 2016 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.