Melodie & Rhythmus

Traumgepfeif

22.02.2016 14:46
Farblithographie El Lissitzkys nach »Sieg über die Sonne« (1923) Foto: Picture-Alliance / Akg-Images

Farblithographie El Lissitzkys nach »Sieg über die Sonne« (1923)
Foto: Picture-Alliance / Akg-Images

Der russische Futurismus suchte in Archaik und Wildheit die Abgrenzung zu Europa

Wolfgang Mende

»Traumgepfeif« – diese Wortkreation setzte der exzentrische Futuristenpoet Welimir Chlebnikow 1913 an die Stelle des verstaubten Terminus Musik. Der Neologismus bringt die kulturrevolutionäre Mission des russischen Futurismus auf die Formel: ein Aufstand gegen die Vernunft (»Traum-«) und gegen den kultivierten Geschmack (»-gepfeif«). Folgten die russischen Zukunftsstürmer damit noch etwa der Linie Marinettis, setzten sie in anderen Punkten gänzlich abweichende Akzente. Ihre Leitmythen waren nicht die von Maschine und Großstadt, sondern eher alt slawische Archaik und asiatische Wildheit. Und Marinettis Verherrlichung von Aggression und Krieg setzten sie Utopien des Pazifismus entgegen.

Die Wortschöpfung »Traumgepfeif« stammt aus dem Prolog der 1913 in St. Petersburg aufgeführten Futuristenoper »Der Sieg über die Sonne«. Dieses absurde Gesamtkunstwerk folgt konsequent der Poetik der »zaum’«, übersetzbar etwa mit Hintergripserei oder – etwas gediegener – Transrationalität. Die herkömmlichen Materialien der Kunst sollten in kleinste, »selbstwertige« Elemente aufgespalten und dann frei von aller herkömmlichen Logik zu einem neuen Kosmos montiert werden. Im Libretto des »Siegs über die Sonne« entstanden auf diese Weise skurrile Nonsens-Wörter und -Dialoge. Kasimir Malewitsch steckte die mitspielenden »Zukunftsmenschen« in kubistische Rüstungen und entdeckte dabei sein epochales »Schwarzes Quadrat«.

Den kompletten Artikel lesen Sie in der Melodie und Rhythmus 2/2016, erhältlich ab dem 26. Februar 2016 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.

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