
Foto: Trigon Film
Der kolumbianische Filmregisseur Ciro Guerra unterminiert die Legitimationsideologie der Zerstörung indigener Lebenswelten
Bastian Tebarth
Ciro Guerra zeigt in »El abrazo de la serpiente« nicht vornehmlich das hässliche Gesicht des Kolonialismus. Es gibt in dem 2016 unter dem Titel »Der Schamane und die Schlange« in die deutschen Kinos gekommenen Film zwar auch verstümmelte Kautschukbauern, die darum betteln, dass man sie mit einem gezielten Schuss von ihrem Leid erlöst, und grausame Missionare, die Kinderrücken malträtieren. Aber im Vordergrund stehen zwei Figuren, die man als »gute Kolonialisten« bezeichnen könnte. Guerra ist damit ein kluger Schachzug im antikolonialen und antiimperialistischen Kulturkampf gelungen. Der 40-jährige kolumbianische Regisseur hat seine Filmprotagonisten nach dem Vorbild bekannter Wissenschaftler gestaltet: Theodor Koch-Grünberg (1872–1924) und Richard Evans Schultes (1915–2001) waren aufgeklärte, humanistisch geprägte Forscher, die ihr Tun hinterfragten, sogar als antikolonial empfanden und den endgültigen Verlust der kolonisierten Kultur abzuwenden versuchten. Sie waren Forschungsreisende, die einer vermeintlich objektiven Wissenschaft dienten und das, was sie untersuchten, bewahren wollten.
Guerra spießt in seinem Film ein zentrales Argument der Apologeten des Kolonialismus auf: die Behauptung, dieser habe einen zwar schmerzhaften, aber notwendigen Evolutionsschub ausgelöst. …
Der komplette Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 1/2022, erhältlich ab dem 17. Dezember 2021 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
Ähnliche Artikel:
Anzeigen br>