Foto: Erik Weiss
»Psychedelic Britpop« von der Spree
Christoph Schrag
Seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts exportiert Großbritannien mit Erfolg Pop- und Rockmusik nach Deutschland. Man mag dem britischen Fußball kritisch gegenüberstehen oder dem Essen – aber die Musik! Nur: Warum den langen Weg in Kauf nehmen? Das dachten sich wohl auch drei junge langhaarige Typen aus London, setzten auf den Standortvorteil im Export-Ausland und zogen nach Berlin. Und erst dort wurden sie zur wahrscheinlich einzigen echten Britpop-Band von der Spree.
Die Idee entstand vor einem Pub in London. Bassist Adam Neal und Gitarrist Jack Wharton hatten die deutsche Hauptstadt gerade erst als DJs erlebt und waren vollständig fasziniert von dem Gefühl der Freiheit, das sie dort gespürt hatten. Außerdem war Berlin im Vergleich zu London so spottbillig, dass man als mittelloser Musiker im Grunde nicht lange überlegen musste. Die beiden ließen ihre Band Eight Legs platzen, die ihnen daheim immerhin einen ersten Achtungserfolg (und den DJ-Gig in Berlin) eingebracht hatte. Vor besagtem Pub in London schließlich weihten sie Sänger Jim Cubbit in die Pläne ein und nahmen ihn später gleich mit. Der Anfang von Big Skies war gemacht.
Das war im Winter 2010, der selbst Nichtmeteorologen im Gedächtnis geblieben sein dürfte als eine der größten Zumutungen, die man sich in Berlin und manch anderem Flecken in Deutschland bisher gefallen lassen musste. Bei minus 15 Grad und einer nicht schmelzen wollenden Eisdecke verschanzten sich die drei Engländer in einem gemeinsamen Zimmer und taten, was man hierzulande eben so tut bei solchen Temperaturen: Sie warteten, bis es endlich vorbei war. Erst mit dem Frühling vor der Tür wagten sie, ihre Finger auf geliehenen Gitarren zu Akkorden zu formen und erste Songs zu schreiben.
Berlin blieb für Big Skies nicht nur ein kurzes Abenteuer, sondern wurde zu einer lebensverändernden Angelegenheit. Die drei Londoner lernten hier ihren Drummer Alexander Cumming kennen, der durch die kanadische Herkunft etwas winterfester war und sich als gelernter Jazz-Musiker schnell auf die Jungs eingroovte. Und die spielten einfach das, was sie als Kids gehört hatten. Was dabei in Verbindung mit der neuen Lebenswelt herauskam, nannten sie »Psychedelic Britpop«.
Nachdem Big Skies ihre erste EP im alten Funkhaus in Oberschöneweide aufgenommen hatten, zog es sie nun fürs Album in ein weiteres Musiker-Highlight der Stadt, und zwar in die Candybomber-Studios im ehemaligen Tempelhofer Flughafen. An den Reglern saß dabei einer, der schon an einer Produktion von Florence & The Machine mitgearbeitet hatte und ihren Sound noch einmal verfeinern konnte. Auf das Ergebnis haben die Jungs ein Versprechen geschrieben: »Never Going Home«. Das ist doch mal eine Ansage.
Big Skies Never Going Home
Half Human Half Robot
www.bigskiesofficial.com
Der Beitrag erscheint in der M&R 1/2015, erhältlich ab dem 5. Januar 2015 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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