Die Musikindustrie macht mal wieder ihre Kunden nass
Noch keine vier Jahre ist es her, als Universal einen Anwalt in die Spur schickte, um eine phänomenale Idee gerichtlich durchzusetzen. Phänomenal aus Sicht des Musikkonzerns, weniger aus Sicht des Beklagten, einem Mann namens Troy Augusto. Er hatte auf eBay in 26 Auktionen Promo-CDs verkauft. Anwalt Russel Frackmann sah durch diese Verkäufe die Rechte von Universal verletzt. Es dürfe nur der eine CD verkaufen, der sie zuvor selbst käuflich erworben habe. Eine Promo-CD wird aber nicht verkauft. Plattenfirmen verschicken sie kostenlos und meist unaufgefordert – sie sind ein Geschenk wie das wöchentliche Anzeigenblatt im Briefkasten.
Anwalt Russel ging noch einen Schritt weiter. Nicht nur der Verkauf, auch das Wegwerfen von Promo-CDs sei zu unterlassen. Beides gelte als nicht genehmigte Verbreitung, denn die Empfänger der CDs besäßen nur die Erlaubnis, sie zu hören und ins Regal zu legen. Folgt man dieser Argumentation, müsste man die CDs bis zum Sankt Nimmerleinstag aufbewahren.
Die Klage wurde abgewiesen. Im Urteil beriefen sich die Richter auf die in den USA geltende »First Sale Doctrine«: In dem Moment, in dem ein Rechteinhaber eine Kopie eines Buches, einer CD oder DVD verkauft oder verschenkt, ist der Empfänger berechtigt, diese weiterzuveräußern – ohne zusätzliche Erlaubnis des Rechteinhabers.
Troy Augusto durfte die CDs verkaufen. Der Irrsinn, das Wegwerfen von kostenlos verteilten CDs zu verbieten, war vom Tisch. Die Kreativität der Rechteverwerter blieb ungebremst.
Wenn man den Verkauf von Gratis-CDs nicht verbieten kann, dann versucht man es andersherum: Gekaufte Musik soll nicht weiterverkauft werden dürfen. Diesmal gilt der Angriff allerdings nicht dem Handel mit physischen Datenträgern, sondern mit Downloads. Mit der Verbreitung von Downloadportalen wie iTunes stellt sich nämlich die Frage, ob der Kunde die Songs, die er für 99 Cent gekauft hat, weiterverkaufen darf.
Nein, sagt die Recording Industry Association Of America (RIAA), eine Lobbyorganisation der Musikkonzerne, und geht juristisch gegen ReDigi vor. ReDigi ist eine Plattform, die sich auf den Weiterverkauf bezahlter Downloads spezialisiert hat. Ob diese Geschäftsidee sinnvoll ist, sei dahingestellt – der Ausgang des Verfahrens kann jedoch entscheidend für die Zukunft der Musikportale sein. Wenn den Kunden der Verkauf verboten wird, mindert sich der Wert der Ware. Setzt sich die RIAA durch, müsste der Preis pro Download sinken.
An dieser Stelle dürfen Sie laut lachen.
Jürgen Winkler
Der Beitrag erscheint in der melodie&rhythmus 1/2012, erhältlich ab dem 3. Januar 2012 am Kiosk oder im Abonnement.