Die Grenzen zwischen Journalismus und Propaganda für die herrschende Ordnung waren seit jeher fließend. Heute sind sie nahezu komplett aufgelöst. Die »Exterminierung der Wirklichkeit und ihre Ersetzung durch eine Medienwelt« und der Triumph der »Manipulationsästhetik« über die Kunst, wie sie Peter Hacks 1990 in seinem Essay »Unter den Medien schweigen die Musen« diagnostiziert hatte, streben so gut wie ungebremst zur Vollendung. In Online-Kulturmagazinen, die in den vergangenen Jahren in großer Zahl gegründet wurden, auch längst schon und viel gefährlicher in der Konzernpresse bis hinein in die öffentlich-rechtlichen Medien zeichnet sich (wieder) in dem Trend der Ästhetisierung der Politik eine faschistoide Instrumentalisierung von Kunst und Kultur ab. Die größte Ideologiefalle stellt aber der Mythos von nahezu unbegrenzten Publikationsmöglichkeiten, freiem Informationsaustausch und Kommunikation im Internet dar. Solange es unter der Verfügungsgewalt des Kapitals steht, ist die Basis, auf der Technologien Macht in der Gesellschaft gewinnen, immer die Macht der ökonomischen Eliten – und so ist die zu einer Kampagne angewachsene Beschwörung des Endes der Printmedien vor allem von dem Interesse an Profit und Herrschaftssicherung geleitet. Die rasant fortschreitende totale Digitalisierung beschleunigt auch Eindimensionalisierungsprozesse in der Berichterstattung und ermöglicht die Ausübung totaler Kontrolle: Immer häufiger werden Organe der linken Opposition geblockt, gelöscht oder unerwünschte Positionen gefiltert. Und durch die Stauchung des Contents in eine für die Online-Rezeption passende Form wird die Praxis der Kulturtechnik des (kollaborativen) Schreibens von langen einander ergänzenden Texten, also die Darstellung komplexer Zusammenhänge, Hintergründe und Analysen, sukzessive eingeschränkt, perspektivisch verschwinden. Der verordnete Trend geht zu einem banalen, via Smartphone konsumierbaren Häppchen-Journalismus, der die Aufklärungsagenda kritischer Presse weiter unterminiert. Wo finden sich noch Schlupflöcher für eine radikale Ideologiekritik im Räderwerk einer Medienmaschine, die auch ohne Zensur nur die Meinung der Herrschenden ausspuckt? Welche Strategie müssen linke Medienschaffende anwenden, um ihrer politischen und historischen Verpflichtung nachzukommen, vom Standpunkt der Ausgebeuteten und Unterdrückten aus zu zeigen, wie die Verhältnisse wirklich sind?
Es diskutieren:
Ekkehard Sieker (Redakteur »Die Anstalt«)
Ekinsu Devrim Danış (Redakteurin Yeni E)
Julieta Daza (Redakteurin Agencia Bolivariana de Prensa, der Wochenzeitung Petare Al Día [Caracas] und der Radiosendung Paraos en la raya [Caracas])
Moderation: Dietmar Koschmieder (Geschäftsführer Verlag 8. Mai)