Befragt von Roswitha Baumert: Der »rote Elvis« Dean Reed, US-Bürger mit DDR-Wohnsitz, Filmstar, Sänger, Internationalist
Verschwundenes Land: Ein Streifzug durch die DDR-Musikszene mit Roswitha Baumert. Sie leitete M&R bis zum Heft 1/1990
Interview: Gerd Schumann, Foto: Günter Gueffroy
Ein wundersamer Herbsttag in Neuruppin, Fontane-Stadt. Die Sonne zeigt sich noch mal. Wir kennen uns nicht, haben miteinander telefoniert. Roswitha Baumert würde mich am Bahnsteig erwarten. »Das muss sie sein«, denke ich, nachdem mich die Regionalbahn Richtung Wittenberge abgesetzt hat. Sie ist es. Freundliches, aufgeschlossenes Lächeln. Plakate auf Stellschildern des Touristenbüros: Gegenüber im Kulturhaus Stadtgarten tritt demnächst Johnny Winter auf. Wir schlendern an der Kopfsteinpflasterstraße entlang am Amtsgericht vorbei zum Marktplatz. Den bestellten Wiener Kaffee krönt, was sonst?, eine dicke Schicht Schlagoberst. Ich bin gespannt, welchen Einblick mir die ehemalige Chefin der M&R-Redaktion wohl geben würde. Über ihren Job in der – auch was Medien und deren politische Kontrolle betrifft – doch sehr speziellen DDR. Mehr als zwei Jahrzehnte danach. Zudem heute, in Zeiten der Schwarzmalerei.
Die Puhdys als Aufmacher – das gab es in der M&R bestimmt schon mal, oder?
Mit den Puhdys hatte ich selbst nicht viel zu tun. Das war nie meine Musik. Ich hab es dann irgendwann akzeptiert. Privat wie beruflich drehte sich auch für mich vieles um Rock, klar, doch mehr um Chanson, Jazz…
Jazz war ja immer ein Aushängeschild der DDR, auch in der M&R?
Er war stark vertreten Wir hatten regelmäßige Rubriken von den beiden Jazz- Experten der DDR, Karlheinz Drechsel und Herbert Flügge. Drechsel müsste heute noch agieren, hat das Dixieland-Festival in Dresden unter seiner Mache. Die haben Serien zum Jazzbereich in M&R jahrzehntelang betreut. Jazz wurde in der DDR nicht nur toleriert, auch gefördert.
Kritiker meinen, das sei alles Fassade gewesen, eine Art Schaufenster der DDR nach Westen, um der internationalen Jazzszene zu zeigen, wie aufgeschlossen das Land sei.
Das kann ich nicht beurteilen. Mit oberen Gremien, die sich das eventuell ausgedacht haben mögen, hatte ich nichts zu tun. Aber klar ist auf alle Fälle: Die Jazzer waren doch alles gestandene Leute, als Musiker selbstbewusst. Die boxten sich schon selbst frei. Vielleicht auch durch ihre Reisen – sie konnten ja schon sehr früh auch ins westliche Ausland, haben Auftritte absolviert und wurden auch immer wieder angefordert. Daran kam man staatlicherseits nicht vorbei. An ein bewusst eingesetztes Aushängeschild glaube ich nicht.
Spielte der Jazz im Alltag, an der Basis sozusagen, eine Rolle?
Es existierten sehr viele Jazzclubs im ganzen Land. Es gab Festivals, mehrfach im Jahr, nicht nur in der DDR, auch in den benachbarten »Bruderländern«, Polen, in der CSSR. Da lief viel mehr als heute, ich vermisse das regelrecht. Die Leute waren begeistert, weil die Musik zupackend war. Man hat sie gespürt, das war nichts Aufgesetztes. Natürlich gibt es verschiedene Richtungen – Dixieland ist nicht so mein Ding. Für viele ist das ja auch kein Jazz. Und dann der Free Jazz, sehr extrem. Gut, auch darüber haben wir berichtet.
Was haben Sie vor ihrem Einstieg bei M&R 1975 gemacht?
Ich war Außenhandelskaufmann, wie das damals hieß, hörte dann zur Geburt des Sohnes auf, und hatte – das gab es in der DDR auch – keinen Krippenplatz bekommen. Ich musste also zuhause bleiben Während der Zeit habe ich – zwei Jahre lang – die Band, in der mein Mann spielte, gemanagt: die Günther-Fischer-Band. Die machten damals auch die Schallplatten mit Manfred Krug. Da hatte ich dann das Vergnügen, Herrn Krug zu managen.
Günther Fischer zeichnete ja für herausragende Filmmusiken verantwortlich – nicht nur für Konrad Wolfs »Solo Sunny«. Wolfs »Ich war neunzehn« ist sicherlich eine der wichtigsten Arbeiten der Filmgeschichte. Der Kunstbetrieb der DDR war stark geprägt von Idealen wie Antifaschismus, gegen Krieg, für Antiimperialismus, Solidarität …
… und ganz normale, alltägliche ethischmoralische Ideale, einfache menschliche Werte, vernünftiges Zusammenleben …
Roswitha Baumert, Jahrgang 1944, stieg 1975 in die M&R-Redaktion ein. Später leitete sie das Blatt langjährig. Die erste Ausgabe im Jahr 1990 war die letzte, die sie betreute
Das komplette Interview lesen Sie in der Melodie&Rhythmus 6/2012, erhältlich ab dem 9. November 2012 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch hier bestellen.
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