
Zerstörtes Wohnhaus in Cizre
Foto: Sertac Kayar / Reuters
Konstantin Wecker und andere Künstler klagen Kriegsverbrechen an
Der Staatspräsident der Türkei, Recep Tayyip Erdoğan, soll sich für schwere Gewaltverbrechen verantworten, die gegen kurdische Zivilisten im Südosten des Landes begangen wurden. Im Mittelpunkt einer Anzeige, die bei der deutschen Bundesanwaltschaft eingereicht wurde, steht der Tod von 178 Menschen, die zwischen Dezember 2015 und März 2016 in der Stadt Cizre in Kellerräumen Schutz vor Angriffen des türkischen Militärs gesucht hatten. Laut Augenzeugen haben »Sicherheitskräfte« Benzin in einen der Keller geleitet und angezündet. Neun Zivilisten, die die Keller verließen und sich als unbewaffnet zu erkennen gaben, sollen ermordet worden sein.
Neben Erdoğan wurden weitere verantwortliche Minister, Militärs, Polizisten und die zuständigen Gouverneure angezeigt. Eingereicht haben den Strafantrag neben Angehörigen der Opfer deutsche Bundes- und Landtagsabgeordnete, Rechtsanwälte und mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen. Auch die Musikerin Esther Bejarano, der Schauspieler Rolf Becker und der Liedermacher Konstantin Wecker haben unterzeichnet.
»Pazifismus gilt heute als terroristische Propaganda«, zitiert Wecker im Interview mit M&R einen Artikel des Kovorsitzenden der Demokratischen Partei der Völker (HDP), Selahattin Demirtas?, in dem es um die Repression Erdoğans gegen HDP-Mitglieder geht. Der türkische Staatspräsident tue alles, um diese wichtige Stimme der Opposition zum Schweigen zu bringen. »Unter anderem wurde die parlamentarische Immunität Dutzender Abgeordneter aufgehoben. Und mit diesem Land geht unsere Politik so sanft um – einzig, um damit das Flüchtlingsdrama zu vertuschen.« Wecker glaubt zwar nicht, dass es wirklich zu einem Strafverfahren kommen wird. »Dennoch ist unsere Anzeige wichtig. Allein schon, um Öffentlichkeit für das Thema zu schaffen, und als Schützenhilfe für die HDP – wir haben die Verpflichtung, ihr zur Seite zu stehen.«
red
Der Beitrag erscheint in der Melodie und Rhythmus 5/2016, erhältlich ab dem 2. September 2016 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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