Das Magazin Dilop und die prekäre Situation kurdischer Kulturorgane in der Türkei heute
Bülent Ulus*
Dilop (Tropfen) existiert auf Basis kollektiver, rein ehrenamtlicher und nichtprofitorientierter Arbeit ohne hierarchische Strukturen. Das Kulturmedium setzt sich für ein friedliches Zusammenleben aller in der Türkei und anderswo lebenden Völker ein. Bisher wurde zwar noch kein Verbotsverfahren angestrengt. Doch man weiß, dass heute schon ein Wort eines einflussreichen Regierungspolitikers genügt, um eine Zeitschrift einzustellen. Die Regierung entscheidet mit Willkür statt mit Rechtsstaatlichkeit über unabhängigen Journalismus.
Angesichts einer staatlichen Politik, die das Existenzrecht von Minderheiten in der Türkei leugnet, wollen wir nicht allein über kurdische Kunst und Kultur berichten, sondern betrachten es als wesentliche Aufgabe, die Repressionsmaßnahmen der Regierung in unserer Zeitschrift zu kritisieren. Denn nach wie vor werden nicht nur die politischen, sondern auch die kulturellen Rechte der Kurden beschnitten − inklusive des Rechts auf die eigene Sprache. Unser zweisprachig erscheinendes Magazin positioniert sich klar gegen die erzwungene Assimilation, von der auch Jesiden und Armenier betroffen sind. Neben Beiträgen zu Fotografie, Theater, Film und anderen Kunstgattungen veröffentlicht Dilop daher auch Schwerpunktdossiers und Artikel zu historischen Themen. Wir möchten zum einen unsere eigenen kulturellen Werte pflegen, zum anderen aber auch die Schönheit und Vielfalt aller Kulturen zeigen und jeglichem Chauvinismus entgegenwirken. Dass Dilop offen für alle emanzipatorischen Denker, Journalisten und Schriftsteller unabhängig von ihrem ethnischen Hintergrund ist, versteht sich dabei von selbst.
Das Dogma von Seiten des Staates, dass es außer der türkischen keine anderen Wurzeln und kein Miteinander mit anderen Ethnien geben darf, besteht in der Türkei seit Langem. Die Leugnung der kurdischen Identität wird zwar »kurdischer Konflikt« genannt, ist aber heute allgegenwärtig und somit faktisch ein türkischer Konflikt. Daraus ergibt sich für Dilop der Anspruch, in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit dem kurdischen auch das türkische Problem zu behandeln.
Bis heute wird Kurdisch im Bildungswesen und an staatlichen Einrichtungen der Türkei nicht als offizielle Sprache anerkannt. Angesichts der Repressalien, denen kurdischsprachige Medien ausgesetzt sind, wird schnell deutlich, dass die kurdische Sprache literarisch und medial eine immer kleinere Rolle im Land spielt. Doch trotz dieser Schwierigkeiten arbeiten kurdische Musiker, Schriftsteller und Künstler weiterhin daran, sie am Leben zu halten, und Dilop hat es immerhin geschafft, bisher sieben zweisprachige Ausgaben mit einem stetig wachsenden kurdischen Anteil herauszubringen. Diese Zweisprachigkeit ist wichtig und notwendig, weil selbst viele Kurden ihre Sprache in Wort und Schrift nicht mehr gut beherrschen. Gleichzeitig bringt Dilop auch türkischsprachigen Lesern die kurdische Kultur näher.
Neben den prekären politischen Verhältnissen bildet die schlechte finanzielle Lage das Hauptproblem für Dilop. Dazu kommen eingeschränkte Vertriebsmöglichkeiten, die noch dadurch erschwert werden, dass sich viele Druckereien und Buchhandlungen von kurdischer Literatur politisch distanzieren. Konkret bedeutet das, dass Dilop im Wesentlichen vom Handverkauf leben muss, die Abonnentenzahlen leider verschwindend gering sind, Werbeeinnahmen ausbleiben und eine verkaufsfördernde PR-Arbeit wegen der fehlenden Ressourcen kaum möglich ist. Unter diesen Bedingungen stehen die Herausgeber bei jeder Ausgabe vor der großen Herausforderung, die Existenz des Magazins verteidigen zu müssen.
* Bülent Ulus ist der ehemalige Chefredakteur der seit 2016 verbotenen kurdischen Kunst- und Kulturzeitschrift Tîroj.
Der Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 1/2020, erhältlich ab dem 13. Dezember 2019 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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