Nationale Euphorie auf der Krim
Eine Folge der Aufnahme der Krim in die Russische Föderation war, dass der russische Patriotismus unter der Bevölkerung zunahm. Die »Einheit mit der russischen Welt« ist ein wichtiger Bestandteil der Identität der Menschen hier; entsprechend verbreitet ist eine nationale Euphorie. Ein Beispiel: Das Sankt- Georgs-Band – in der Sowjetunion und heute in Russland das Symbol militärischer Tapferkeit – gehört inzwischen zum ganz alltäglichen Straßenbild. Russische Trikoloren und Kitsch-Produkte wie Putin-T-Shirts finden reißenden Absatz. Der Patriotismus ist für die Massen attraktiv, birgt aber gewisse Gefahren. Einer seiner Fallstricke ist die Erosion der Grenze zwischen Gesellschaft und Staat. Als Marxist möchte ich außerdem darauf aufmerksam machen, wie er den Herrschenden nützt: Erlebt das Volk sich als Einheit, dann führt es dazu, dass die Wahrnehmung der Klassengegensätze verschwimmt.
Anatolij Slobodyanyuk ist Soziologe und war Assistenzprofessor an der staatlichen Universität von Charkiv. Dort hat er Kunstausstellungen und Filmveranstaltungen organisiert. Nachdem er wegen Antikriegsaktionen und dissidenter politischer Positionen von Nationalisten bedroht worden war, musste er die Ukraine im November 2014 verlassen.
Foto: privat
Die komplette Kolumne lesen Sie in der Melodie und Rhythmus 5/2015, erhältlich ab dem 28. August 2015 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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