
Szene aus »Die Rundköpfe und die Spitzköpfe«
Foto: SiDat!
Das Simon Dach Projekttheater startet nach dem Pandemielockdown mit Brecht – und beweist, dass er brandaktuell ist
Die Aufständischen werden gehängt, die Pachtherren feiern: »Vielleicht fällt der Regen doch von unten nach oben!« Vielleicht lässt die Einteilung der Menschen nach ihrer Schädelform den Widerspruch zwischen Arm und Reich vergessen. So endet das Stück »Die Rundköpfe und die Spitzköpfe« von Bertolt Brecht, das das Simon Dach Projekttheater (SiDat!) im Herbst auf die Bühne bringen wird.
Mit der Premiere am 1. Oktober wird das SiDat! die lange Spielpause beenden, zu der es die Lockdowns gezwungen haben. Das Stück sollte bereits im vergangenen Jahr aufgeführt werden, musste aber ausfallen. Ebenso in diesem Frühjahr eine Inszenierung von Brechts »Die Tage der Commune« anlässlich des 150. Jahrestags der Pariser Kommune. Lediglich eine Videoaufzeichnung konnte auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz 2021 gezeigt werden.
Die Lage des SiDat! war schon vorher schwierig gewesen. Theater, erklärt Regisseur Peter Wittig im Gespräch mit M&R, sei »a priori ein Verlustgeschäft«. Er und die Schauspielerin Margarete Steinhäuser leiten das SiDat! Städtische Kulturförderung ist ihnen nie bewilligt worden. Die Ticketpreise halten sie niedrig, um Ärmere nicht auszuschließen. Die Verluste müssen sie mit dem Ersparten vom eigenen Konto ausgleichen. »Andere Leute machen Kreuzfahrten, wir machen Theater«, sagt Wittig. Seit 2020 wird das Projekt nun endlich von einem Förderverein unterstützt.
»Die Rundköpfe und die Spitzköpfe« auf den Spielplan zu setzen, sei eine Reaktion auf die »Wahldurchmärsche der AfD« in den vergangenen Jahren, erklärt Wittig und verweist auf weitere Parallelen zwischen dem Stück und der Wirklichkeit unserer Gegenwart. Die absurde Begründung der Bundesregierung für die Überwachung der jungen Welt durch den Inlandsgeheimdienst (die marxistische Tageszeitung gehe von der Existenz einer Klassengesellschaft aus, aber eine Aufteilung in Klassen widerspreche der Menschenwürde), meint Wittig, könnte auch von Iberin stammen: dem Führer der Bewegung, die im Stück mit Terror und der Ideologie eines falschen Klassenkampfs zwischen Rund- und Spitzschädeln die armen Pächter davon abbringen soll, sich gegen die reichen Pachtherren zu wehren. Nachdem das gelungen ist, sollen die Menschen zu einem Angriffskrieg aufgehetzt werden – nicht anders als heute, so Wittig weiter, wenn die »Eindämmung« Russlands und Chinas durch die NATO gefordert wird.
Die drohende vierte Pandemiewelle mit dem nächsten Lockdown hindert Wittig und Steinhäuser nicht daran, weitere Inszenierungen zu planen. Als nächstes Stück soll mit Peter Hacks’ »Der Schuhu und die fliegende Prinzessin« Familientheater im SiDat! zu sehen sein.
red
[↗] sidat-pro.de
M&R verlost für die Aufführungen von »Die Rundköpfe und die Spitzköpfe« am 1., 2., und 3. Oktober jeweils zwei Tickets. Bitte schicken Sie bis 24. September 2021 eine E-Mail mit Ihrem Namen, Wunschtermin und dem Kennwort »Rundkopf« an: verlosung@melodieundrhythmus.com
Der Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 4/2021, erhältlich ab dem 17. September 2021 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.