Weltmusikalische Gedanken über das Leben nach Rock‘n‘Roll
Text: Mark Terkessidis
Folklore hab ich lange gehasst. Und zwar selbst in ihrer raffinierten Form, sozusagen getarnt als US-amerikanischer »Folk«. Das hatte seine Gründe. Als westdeutscher Jugendlicher in den frühen 1980er Jahren war ich umgeben von einem Volk von Langhaarigen in wallenden Gewändern, das während seiner endlosen Teerituale alle Formen von blödem Geklampfe und rührseliger Mitsingerei goutierte. Im Grunde handelte es sich um die Widergänger der Leute, die Bob Dylan 1965 in Newport von der Bühne buhten, als er es wagte, seine Songs elektrisch zu verstärken. Das damalige Öko-Volk liebte die Natur, was bedeutete, das neben den Gesängen der Buckelwale auch »ethnische« Musik hoch im Kurs war. Vom Klang der Bouzouki bis zum Klappern der Kastagnetten – die europäische Folklore schien irgendwie links und unkommerziell zu sein, also ein prima Antidot zur angeblich alles vernichtenden Macht des dunklen Imperiums, sprich: USA. Diese Haltung fand ich unerträglich – und zwar in zweifacher Hinsicht. Zum einen hatten die »Ökos« erstaunlich wenig Bewusstsein darüber, dass ihr Natürlichkeitskulteinige Ähnlichkeit mit der traditionell deutschen Ideologie des Volkstums aufwies, in der neben den Juden stets auch die US-Amerikaner als zersetzende Kraft wider das gute Volk firmierten. Zum anderen war ich väterlicherseits griechischer Herkunft und wurde mit schöner Regelmäßigkeit ins folkloristische Naturburschenklischee gepackt – man sah in mir eine Art Alexis Zorbas im Juniorformat. Die allgegenwärtige Begeisterung für Griechenland zerrte gewaltig an meinen Nerven. Denn wiederum bemerkten die »Ökos« nicht, dass sie ihr alternatives Begehren nach dem Abklatsch des Griechischen längst mit dem überwiegenden Teil der Pauschaltouristen teilten.
Das komplette Essay lesen Sie in der melodie&rhythmus 3/2010, erhältlich ab dem 6. Juli am Kiosk oder im Abonnement.
Anzeigen br>Der Publizist und Migrationsforscher Mark Terkessidis ist promovierter Pädagoge, Mitherausgeber des Buchs »Mainstream der Minderheiten« (1996) und Mitbegründer des »Institute for Studies in Visual Culture« in Köln.