Wie eine Kampagne der Neuen Frauenbewegung vor 50 Jahren die Bundesrepublik erschütterte
Gisela Notz
Es war ein Skandal, als die Ausgabe der Illustrierten Stern vom 6. Juni 1971 mit dem Titel »Wir haben abgetrieben!« erschien. 28 Frauen bekannten sich mit ihrem Klarnamen und Foto dazu, gegen den Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch verstoßen zu haben – darunter die berühmten Schauspielerinnen Romy Schneider, Senta Berger und Vera Tschechowa sowie die Journalistin und spätere Herausgeberin des Magazins Emma, Alice Schwarzer, die die Aktion initiiert hatte. Insgesamt hatte Schwarzer 374 Frauen aus Politik, Film und Fernsehen mobilisiert. Sie alle forderten die ersatzlose Streichung des Paragrafen 218. Vorbild der Kampagne war eine Aktion der französischen Frauenbewegung, bei der 343 Französinnen, darunter Simone de Beauvoir und Françoise Sagan, am 5. April 1971 in der Zeitschrift Le Nouvel Observateur erklärt hatten: »Ich habe abgetrieben. Und ich fordere dieses Recht für jede Frau.«
Die Frauen hatten sich so wissentlich selbst eines Vergehens beschuldigt, für das in der BRD Haftstrafen von bis zu fünf Jahren verhängt werden konnten. Am 19. Juli 1971 wurden 3.000 Selbstanzeigen und 86.100 Unterschriften für die Abschaffung des Paragrafen 218 an den Bundesjustizminister Gerhard Jahn (SPD) mit dem Hinweis übergeben, dass neben Millionen von Frauen auch Ärzten Gefängnis drohe, die Abtreibungen vornähmen.
Sowohl die geforderte uneingeschränkte Abtreibungsfreigabe als auch eine Fristenlösung stießen beim Justizminister auf Ablehnung sowie auf scharfe Proteste der konservativen Parteien, vieler Ärzte und der Kirchen, die auf dem »Lebensschutz« des Fötus beharrten.
Gegen einige Frauen wurden zwar Strafanzeigen erstattet, dann aber eingestellt. …
Der komplette Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 3/2021, erhältlich ab dem 18. Juni 2021 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
Anzeigen br>