
Foto: dpa / Rene Ruprecht
Wie neue Medienformate die Vermittlung linker Gesellschaftskritik beeinflussen
Angesichts sinkender Auflagenzahlen versuchen Medienhäuser, mit schicken Online-Angeboten an die Konsumgewohnheiten einer jüngeren Leserschaft anzuknüpfen. Die Frage nach der profitablen Vertriebsform der Zukunft treibt auch Verlage mit dezidiert linkem oder linksliberalem Selbstverständnis um: »Das Zeitalter der gedruckten Zeitung ist zu Ende, der Journalismus lebt im Netz weiter«, prophezeit taz-Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch. Das Ada Magazin beispielsweise erscheint ausschließlich im Internet. Aufmerksamkeit kann dort für sich verbuchen, wer Lesern von Bento, Buzzfeed & Co. auch in der Art der Darstellung entgegenkommt. Manche Medienschaffende befürchten allerdings, dass der Übergang von Print auf Digital gerade für linken Journalismus mit schmerzhaften Konzessionen verbunden ist. Ein traditionell auf Analyse und Kritik konzentriertes Genre, so ihre Bedenken, könne in einem für Suchmaschinen optimierten, multimedial ausgereizten Umfeld sein oppositionelles Potenzial nicht mehr entfalten. Wir lassen folgende These diskutieren:
Als digitaler Content verlieren systemkritische und revolutionäre Inhalte ihre Durchschlagskraft.
PRO
Mythos der grenzenlosen Möglichkeiten
Natürlich verlieren radikal linke Inhalte nicht nur deshalb an Wirkung, weil sie digital zu Verfügung gestellt werden. Aber auch bei der Anwendung neuer technischer Möglichkeiten geht es um die Frage, in wessen Interesse sie erfolgt. Seit dem Siegeszug neoliberaler Kräfte, der nach 1990 begonnen hat und vorläufig noch anhält, dient die Digitalisierung unserer Lebenswelt verstärkt dem Zweck, optimale Bedingungen für die Kapitalverwertung zu schaffen und die dafür notwendigen Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse zu sichern.
Schon heute belegen Untersuchungen, dass Grundschüler durch die Nutzung digitaler Geräte in ihrem Alltag darauf getrimmt werden, sich nur noch mit wenigen Worten zu verständigen. Das Erfassen komplexer Texte wird kaum mehr geübt. Das Problem liegt nicht in umstrittenen neuen Lehrmethoden, sondern vielmehr im Bereich der »heimlichen Erzieher«, etwa beim Medienkonsum. …
Dietmar Koschmieder ist seit 1995 Geschäftsführer des Verlags 8. Mai, in dem u.a. die Tageszeitung junge Welt, die Melodie & Rhythmus und die deutschsprachige Ausgabe der Granma Internacional erscheinen. Im Februar 2019 hat die junge Welt einen umfassenden Relaunch ihrer Online-Ausgabe durchgeführt.
Foto: Andreas Domma
CONTRA
Revolutionäre Ideen zugänglicher machen
Sobald systemkritische und revolutionäre Inhalte niemanden mehr erreichen, haben sie keine Durchschlagskraft. Bei Ada haben wir es so formuliert: »Wir wollen nicht nur recht haben, sondern gewinnen.« Und gewinnen kann nur, wer auf der Höhe der Zeit ist und strategisch alle Formen nutzt, um Menschen für seine Ideen zu begeistern.
Linke Zeitschriften konkurrieren – ob sie das wollen oder nicht – mit anderen Medien um die Aufmerksamkeit der Menschen. Doch sie tun das meistens nicht aus Profitstreben, sondern mit dem hehren Ziel, aufklärerisch und kritisch zu sein und eine andere Gesellschaft mit auf den Weg zu bringen. …
Ines Schwerdtner ist Chefin vom Dienst beim Ada Magazin, das demnächst sowohl als Print- als auch als Online-Produkt unter dem Namen »Jacobin Deutschland« erscheinen wird. Sie gehört zum Moderatorenteam des linken Podcasts halbzehn.fm und schreibt als Autorin u.a. für die Wochenzeitung Der Freitag.
Foto: privat
Die kompletten Beiträge erscheint in der Melodie & Rhythmus 3/2019, erhältlich ab dem 14. Juni 2019 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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