Yulia Lokshina beleuchtet den Alltag von Arbeitsmigranten in der Fleischindustrie
Interview: Christian Stache
Der Dokumentarfilm »Regeln am Band, bei hoher Geschwindigkeit« zeigt die Arbeits- und Lebensverhältnisse von Werkvertrags- und Leiharbeitern in der deutschen Fleischindustrie. Die Produktion wurde beim 41. Filmfestival Max Ophüls Preis Ende Januar in Saarbrücken uraufgeführt und als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet. M&R sprach mit der Drehbuchautorin und Regisseurin Yulia Lokshina über ihre künstlerischen und politischen Intentionen und die gewählten filmischen Mittel.
Ihr Film gründet auf der verknüpfenden Darstellung realer Arbeits- und Lebensverhältnisse von Schlachthofarbeitern in Westdeutschland und von Proben für eine Inszenierung von Bertolt Brechts epischem Theaterstück »Die heilige Johanna der Schlachthöfe« an einem Münchener Gymnasium. Was genau hat das eine mit dem anderen zu tun?
Zum einen kann man anhand der Proben und Diskussionen der Jugendlichen untereinander sehen, was sich historisch an den Produktions- und Arbeitsverhältnissen und der Art, wie wir über sie reden, geändert oder auch nicht geändert hat. Zum anderen spiegelt die Gegenüberstellung die mediale Reflexion der Lebenswelt der Arbeitsmigranten, die als eine Art abgeschottete Parallelwelt beschrieben wird, die kaum sichtbar ist und von anderen Gesellschaftsschichten auch nicht wahrgenommen wird. Für die Sichtbarmachung suchten wir nach filmischen Mitteln. Deswegen gibt es diese beiden Stränge.
Brecht nutzt die Verhältnisse in den Schlachthöfen Chicagos zur Zeit der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er-Jahre als Brennglas, durch das er den Kapitalismus seiner Zeit analysiert und kritisiert. Ist der Tönnies-Schlachthof in Rheda-Wiedenbrück nach dem großen Bankencrash von 2008 Ihr Prisma? Wenn ja, warum?
Für uns sind Unternehmen wie Tönnies insofern zentral, als dort die prekären Lebens- und Arbeitswirklichkeiten und die großen Probleme entstehen. …
Regeln am Band, bei hoher Geschwindigkeit
Regie: Yulia Lokshina
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