Melodie & Rhythmus

Manifestation der Zensur

11.12.2018 14:22
Kreativer Protest: Itay Zalaits Statue von Miri Regev auf dem Habima-Platz in Tel Aviv, November 2018 Foto: AP Photo / Oded Balilty

Kreativer Protest: Itay Zalaits Statue von Miri Regev auf dem Habima-Platz in Tel Aviv, November 2018
Foto: AP Photo / Oded Balilty

Kulturschaffende in Israel protestieren gegen das Loyalitätsgesetz

Israels Kulturministerin Miri Regev hat in ihrem zunehmend aggressiv geführten Kampf gegen die besatzungskritische Kulturszene in ihrem Land eine effektive Waffe entwickelt: Kontrolle und Sanktionierung über eine rigide Fördergeld-Politik. Ihr sogenanntes Loyalitätsgesetz soll es den zuständigen Behörden ermöglichen, Kulturschaffenden und Veranstaltern Gelder zu entziehen, wenn sie »gegen die Prinzipien des Staates arbeiten«. Erst im Oktober hat Regev, die jahrelang Leiterin der israelischen Militärzensur war, die Filmförderung neu strukturiert: Ihr Ministerium wacht jetzt über einen Pool von Lektoren, die die Projekte prüfen. Die Kulturministerin, seit 2008 für die Likud-Partei im Parlament, wirft der Künstler- und Kulturszene generell vor, zu links zu sein und Teile der Bevölkerung in ihrer Arbeit nicht zu berücksichtigen. Mit dem neuen Gesetz hat Regev es zum Beispiel auf das Internationale Filmfestival Haifa abgesehen, wo ihrer Ansicht nach »subversive Filme« gezeigt würden, etwa 2017 der erfolgreiche Streifen »Foxtrot« von Samuel Maoz, der sich kritisch mit dem Militär auseinandersetzt.

Namhafte israelische Künstler versuchen das Gesetz doch noch zu verhindern. Über 2.800 Kulturschaffende haben eine Petition unterschrieben, darunter der Schriftsteller David Grossman, der Lyriker Tuvia Rübner, der Musikwissenschaftler Edwin Seroussi und die bildenden Künstler Micha Ullman und Dani Karavan. »Unterdrücken Sie nicht den lebhaften demokratischen, sozialen, kulturellen und künstlerischen Diskurs der israelischen Gesellschaft!«, fordern sie.
Der israelische Filmemacher Udi Aloni sieht in dem Gesetz nur eine Manifestation einer bereits gängigen Selbstzensur. Dabei bezieht er sich auf den US-amerikanischen Dichter Amiri Baraka, der den Alltagsrassismus in seinem Land mit der Praxis der »Rassentrennung« unter dem Apartheidregime in Südafrika verglichen hat: »Baraka sagte, in den USA gäbe es keine Schilder – und das sei schon der ganze Unterschied. Die Schilder beschämen den liberalen Geist der US-Amerikaner, die Praxis bleibt aber dieselbe«, so Aloni im Gespräch mit M&R. »Das Gleiche kann man von Israel vor und nach dem Loyalitätsgesetz sagen.«

red

Der Beitrag erscheint in der Melodie & Rhythmus 1/2019, erhältlich ab dem 14. Dezember 2018 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.

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