
Foto: DPA
Daniel Barenboim engagiert sich für Frieden und Versöhnung. Dafür erntet er Hass von Israels Rechter – nicht zuletzt weil er ihre Lügen und Instrumentalisierung der Shoah-Erinnerung entlarvt
Moshe Zuckermann, Tel Aviv
Die israelische Kultur- und Sportministerin Miri Regev hat wieder zugeschlagen. In der israelischen Tageszeitung Haaretz hieß es am 26. August, sie habe auf die Nachricht reagiert, derzufolge Daniel Barenboim und die Berliner Staatskapelle Kanzlerin Merkel bei ihrem ersten Besuch in Teheran begleiten werden, sollte das Atomabkommen mit Iran in Kraft treten. Regev verkündete, sie beabsichtige, sich an Vertreter des israelischen Außenministeriums und die deutsche Staatsministerin für Kultur zu wenden, um diesen Plan zu vereiteln. Barenboim werde mit seinem Auftritt im Iran Israels Bemühungen, die Realisierung des Atomabkommens zu verhindern, unterminieren und der Delegitimierung Israels Vorschub leisten, lautete ihre Begründung. Regev schrieb: »Diese Melodie muss unterbrochen werden. Barenboim führt einen antiisraelischen Kurs und sorgt für Israels Besudelung« – wobei er Kultur als Hebel zur Förderung seiner politischen Positionen gegen Israel benutze. Merkel habe eine Fehlentscheidung getroffen. Iran sei ein Terror unterstützendes Land, dessen Führer Blut an den Händen hätten. »Ich bin der Meinung«, fügte die Ministerin hinzu, »Deutschland wird gut daran tun, den Auftritt des Orchesters und seines Dirigenten zu annullieren. Es gibt keinen Grund zum Feiern, erst recht nicht für das Orchester.«
Miri Regevs Kulturkompetenz möge hier unerörtert bleiben. So auch die Frage, wer die Instrumentalisierung von Kultur (und Kulturzensur) zur Durchsetzung rechtsorientierter politischer Ziele zur wahrhaft skandalösen Meisterschaft gebracht hat. In Regevs Reaktion tönt aber einiges durch, das über diese Politikerin bei weitem hinausgeht. Regev kam – und Regev wird auch wieder verschwinden. Unverrückbar scheint indes ein auch bei ihr aufscheinendes Grundmuster der israelischen politischen Kultur, wenn es um die Beziehungen zu Deutschland geht. Denn fragen mag man sich, wie die israelische Ministerin überhaupt auf die Idee kommt, der deutschen Kanzlerin vorschreiben zu wollen, wen sie auf ihre mögliche Iranreise mitnehmen möchte. Wundern mag man sich, was sie sich dabei denkt, wenn sie den in Argentinien geborenen und in Deutschland wirkenden israelischen Dirigenten im Sinne der von ihr vertretenen politischen Ideologie maßregeln zu sollen meint. Daniel Barenboim benutzt in der Tat (zuweilen) Musik für politische Ziele. Er will nämlich den Frieden und die Aussöhnung zwischen Israelis und Palästinensern. Nichts kann israelische Politiker vom Schlage Regevs mehr auf die Palme bringen als dieses Ziel – der Frieden. Regev will den Frieden nicht, sie hat auch nicht die Bestrebung, ihn anzuvisieren, nicht den Willen zur Bestrebung. Deshalb ist ihr Barenboim zuwider – die israelische Kulturministerin mag Daniel Barenboim nicht, weil er »antiisraelisch« sei. Der Gedanke, dass vielleicht gerade er um Israels Schicksal (und freilich auch um das Schicksal der von Israel unterdrückten Palästinenser) bangt, dass gerade er für Israel (und die Palästinenser) alles in seiner kulturellen Wirkungsmacht Stehende einsetzt, kommt ihr erst gar nicht in den Sinn. Sie – wie viele andere ihresgleichen – meint, belastete deutsche Gefühlsregungen Juden gegenüber anrühren zu dürfen, um die deutsche Kanzlerin dazu zu bewegen, einen in deren Land wirkenden, von Merkel selbst eingeladenen jüdischen Musiker wieder auszuladen, weil er den Frieden für Israel will. Das ist Israels Kulturministerin im Jahre 2015. Die von ihr verfolgte Politik der heteronomen Instrumentalisierung von Kultur reicht freilich weit zurück. Der politisch bewegte Daniel Barenboim hat sie schon in der Vergangenheit zu schmecken bekommen.
Den kompletten Artikel lesen Sie in der Melodie und Rhythmus 6/2015, erhältlich ab dem 30. Oktober 2015 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
Ähnliche Artikel:
Anzeigen br>