»The Art of Being Many« – ein weiterer Versuch, die sozialen Bewegungen der 2000er-Jahre innerhalb eines bürgerlichen Gerüstes neu zu formatieren
Text & Fotos: Michel Chevalier
Cui bono – wem nützt es? Wäre Antonio Gramsci heute noch am Leben, dann hätte er in den vergangenen vier Jahrzehnten der kapitalistischen Globalisierung sein Konzept der »passiven Revolution« bestätigt gefunden. Dieser Begriff ist offensichtlich widersprüchlich. Er beschreibt, wie die Bourgeoisie und ihre Institutionen sich nicht nur die Arbeitskraft der unteren Klassen aneignen, sondern auch deren politische Agenda, Parolen, Symbolik, deren Anführer und Identifikationsfiguren vereinnahmen. Die Herrschenden instrumentalisieren diese für ihre Zwecke und lassen nur eine vage »Erwartung und Hoffnung« zurück. Dieses Phänomen wurde in den letzten Jahren sehr gut durch Projekte wie »go create resistance« (Deutsches Schauspielhaus Hamburg, 2002) und die »Idee des Kommunismus« (Volksbühne Berlin, 2010) repräsentiert. Solche Events dokumentieren den Versuch, das bedeutungsleere neoliberale Mantra vom »Kreativ-Sein« in den Widerstand gegen den Kapitalismus zu transplantieren. Für viele Theater und »Kreative« scheint das ein Erfolgsrezept zu sein, um Finanzierung zu beantragen.
»Eines der interessantesten politisch-ästhetischen Projekte der letzten zehn Jahre«, so beschrieb der Künstler John Jordan seinen ersten Eindruck vom Kongress »The Art of Being Many«, der Ende September 2014 im Kampnagel Zentrum für zeitgenössische darstellende Künste in Hamburg stattgefunden hat. »Versammlung der Versammlungen« getauft, widmete sich die Tagung den »neuen Techniken und Ästhetiken, Strategien und Theorien des [Sich-]Versammelns, die in den Auseinandersetzungen der letzten Jahre erarbeitet und erstritten worden sind«. Die rund 300 Gäste fanden sich ein in einer großen Halle, die extra für das Ereignis gestaltet worden war: ein trapezförmiges Kolosseum mit erhöhten Plattformen aus gestapelten Holzpaletten und fünf Meter breiten Bildschirmen, die darüber schwebten. Alles war lichtdurchflutet wie auf einem Fußballplatz. Auf diesem Aktionsfeld sollte es kein Publikum geben, sondern nur Teilnehmer – darauf bestanden die Organisatoren unisono.
Den kompletten Artikel lesen Sie in der M&R 1/2015, erhältlich ab dem 5. Januar 2015 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.
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