Männerwelten im Nachkriegsschlager
Diego Castro
Stunde Null in der kleinen Kneipe in unserer Straße. Die deutsche Musikindustrie war nur langsam wieder auf die Beine gekommen. Die ersten Hits der Nachkriegszeit waren Recycling, Rudi Schurickes »Capri-Fischer« stammten von 1943. Die Deutschen machten weiter mit dem, was sie kannten: Lale Andersen, Durchhaltelieder, Weltflucht. Mit den »Eingeborenen von Trizonesien« meldete sich eine unverbesserliche deutsche Volksgemeinschaft zurück. Doch die Deutschen waren nicht nur durch Zonengrenzen getrennt. Die Gesellschaft war tief gespalten. Aber über Probleme schwieg man sich aus. Der westdeutsche Heimatfilm ließ derweil ein Grusellabor an transzendierten Typen der NS-Ära Revue passieren. Der Oberförster mit dem Silberblick gab den Guten Deutschen und der Wilderer den Ewigen Juden. Die Verteilung der Charaktere war auch im Schlager recht typisch. Heimatsänger oder Exoten. Zwischen Heimat und Ferne wandelte die merkwürdige Spezies des traurigen Barden, der gleichsam die Sehnsucht nach dieser und jener besang. Der einsame Seemann am Hafen von Santa Nirgendwo. Der verbraucht wirkende deutsche Cowboy, der nachts am Lagerfeuer die Klampfe beiseitelegt und, besinnlich in die ersterbenden Flammen blickend, die verbrannte Erde der Heimat erkennt.
Fernweh. Heimweh. Abendsonne. Zapfenstreich. Landser-Romantik. Der Krieg hatte dem Schlager das Motiv des versprengten Einzelgängers beschert.
Den kompletten Artikel lesen Sie in der Melodie und Rhythmus 6/2016, erhältlich ab dem 28. Oktober 2016 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.