Der Singer-Songwriter Jonny Bix Bongers fischt in Grenzbereichen der Elektronik
Christoph Schrag
Manche werden mit Künstlernamen geboren: Jonny Bix Bongers gehört dazu. Vor- und Nachname allein würden den Mann schon zur leistungslosen Eingliederung in Deutschlands C-Prominenz qualifizieren. Aber der zweite Vorname Bix verlangt nach Berufung zu Höherem. Geborgt von Bix Beiderbecke, dem legendären Jazzer aus den 20er-Jahren, ließ er Bongers für seine Berufswahl nicht viel Raum. Doch die verbleibenden Optionen schöpft er voll aus: Während er als Postgraduierter der Szenischen Künste in Zürich an ersten Achtungserfolgen als Theaterregisseur arbeitet, kann er einen solchen als Musiker jetzt schon verbuchen. Mit dem schamlosen Song »Unten Rum«, den er nebst Video ins Netz stellte und dort einfach platzen ließ, verschaffte sich der 23-jährige gebürtige Hamburger in den letzten Monaten Gehör in diversen Blogs und Radiosendern.
»Du könntest deine Haare als Kunstwerk nutzen / Und dir eine Mona Lisa in dein Schamhaar stutzen.« – Unten Rum
Sein Auftritt wirkt wie die rundum gelungene Visitenkarte eines neuen Künstlers aus dem Grenzbereich von Eletro, Hip-Hop und Slam Poetry: »Unten Rum« ist Bongers musikalisches Plädoyer für – mehr Schambehaarung. Auf minimalistischen Beats mit elektronischer Bass-Grundierung sprechsäuselt der Sänger trocken gegen das Schönheitsideal der Generation YouPorn an und erinnert an ressourcenschonende Alternativen der Intimbereichsgestaltung: Frisur statt Vollrasur. Im sehr selbstgedrehten Video dazu verpflichtete er Freunde zu entsprechend befreiter Bebilderung … Aber hinter Bongers steckt mehr. Der junge Mann macht schon länger Musik. Nur klang er mit Akustikgitarre und nachdenklichem Gesang bisher nach einer Rubrik, die er sonst meidet: Singer-Songwriter.
»Nimm die Lieder und den Strand mit / Wenn du gehst.« – Marie
Königsdisziplin sei für ihn immer noch der ernsthafte, gefühlvolle Song, der berührt, ohne sich dem Kitsch zu beugen, sagt Bongers. Eine Gratwanderung, die ihm in den letzten zwei Jahren mit einigen leicht angejazzten Folksongs durchaus gelang. Dass er in diese Schiene mit »Unten Rum« nun eine scharfe Kante geschlagen hat, bringt ihn nicht gleich dazu, über Image-Strategien zu grübeln. Solche Genre-Sprengsätze müssen sich aushalten lassen, findet er. Dieses freie Denken über Disziplinen hinweg und die Lust auf Experimente hängen wohl mit Bongers Erfahrungen in der Theaterszene zusammen. Vielleicht hilft auch, dass seine Mutter Kabarettistin und der Vater Musiker ist.
»Und was uns fehlt / Ist der Blick von oben / Auf die Welt.« – Auf den König
Derzeit arbeitet Bongers mit einem losen Netzwerk von Musikern an seinem Debütalbum. Darauf will er die satirische mit der ernsthaften Seite, die elektronische mit der akustischen Form kombinieren, anstatt sich jeweils für eines der beiden entscheiden zu müssen. Ein interdisziplinäres Experiment also, das allerdings noch bis zum nächsten Jahr geheim bleibt. Ob sein musikalisches Bollwerk gegen die Vollrasur dann noch aktuell oder schon überwuchert ist, bleibt abzuwarten.
Jonny Bix Bongers Unten Rum
o. L.
jonnybixbongers.de
Der Beitrag erscheint in der Melodie und Rhythmus 6/2016, erhältlich ab dem 28. Oktober 2016 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.