Zehn Künstler ohne Plattenvertrag versammeln sich mit fünf Songs auf einer EP
Christoph Schrag
Seit der Wiedergeburt dieser Zeitschrift schreibe ich auf diesen Seiten über Bands und Musiker, die nur sehr selten mehr Fans als den erweiterten Freundeskreis vorweisen können. Die meisten davon kenne ich aus meiner Hauptbeschäftigung, der Sendung »Unsigned« auf Fritz vom RBB. Da geht es genau darum: Künstler zeigen, die unsigned sind, also keinen Plattenvertrag haben. Ich schreibe heute in der leicht aufdringlichen Blogger-Ich-Form, weil es hier um eine EP geht, die Künstler aus eben dieser Sendung gemeinsam gemacht haben. Sie heißt daher ebenso aufdringlich wie auch schnörkelfrei »Fritz Unsigned Remixed«. Und sie ist als Vorschlag gemeint. Nicht nur an Musikfans, die darauf die Speerspitze der »Unsigned«-Künstler hören können, sondern auch an Musiker.
Die meisten Musiker haben heute nämlich ein Problem namens DIY. Und bis vor Kurzem schien es noch eine Lösung. Nach dem Niedergang der herkömmlichen Musikindustrie hieß so der Schlüssel zur Selbstermächtigung für Musiker. Wenn keiner in dich und deine Kunst investiert, dann Do-It-doch-einfach-Yourself. Bastle dein eigenes Studio, deine eigene Seite, Tour, Album, Fanartikel. Spitzenkonzept. Hat auch manchmal funktioniert. Bands wie The Boxer Rebellion aus London blicken auf über zehn Jahre Selbstvermarktung zurück. Die Amerikanerin Amanda Palmer zeigte 2012 mit ihrer Crowdfunding-Kampagne eindrucksvoll, dass man als selbständige Künstlerin Millionen einsammeln kann. Auch in Deutschland funktioniert DIY. Die Berliner Musikerin Dota macht es seit einer Dekade vor.
Wo ist also das Problem? Nicht in der Selbstermächtigung. Die ist immer noch angesagt und wichtig. Aber DIY heißt eben auch: Do It FOR Yourself. Also Jeder gegen Jeden. Dabei zeigen Ideen wie Crowdfunding oder etwa die Featuring- und Kollabo-Fluten der letzten Jahre, dass es sinnvoll ist, über die Community-Grenzen, ja sogar über Genre-Grenzen hinaus zusammenzuarbeiten. Und das auch ohne konkrete Gewinnversprechen, wie es bei etablierten Künstlern üblich ist, wo Feature-Plätze oft gegen Geld vergeben werden. Um Gewinn geht es natürlich trotzdem, aber abstrakt. Die Idee: Teile was du hast, dann haben alle mehr. Auch du.
Zehn »Unsigned«-Künstler haben sich zu genau dieser Idee jetzt auf einer EP versammelt und dabei das zweischneidige Konzept DIY zu einem Neuen umgewandelt: DIT. Do-It-Together. Fünf Musiker gaben ihre Songs frei, und weitere fünf machten Remixe davon. Ohne Geld, ohne Gewinnerwartung. Die Remixer steckten unbezahlte Arbeit in das Material anderer Künstler, und die wiederum ließen blind die Zügel los, ohne zu wissen, was mit ihren Songs passieren würde.
Mit dabei ist etwa Peter Piek aus Leipzig, Maler und Musiker, der Folkfestivals in seinem Wohnzimmer-Atelier veranstaltet und sich selbst mehrwöchige Touren durch China organisiert. Oder Tom Klose aus Hamburg, der in diesem Frühjahr seinen Publikumsrekord als Support auf der Tim-Bendzko-Tour dutzendfach geknackt hat. Auch Dota hat einen ihrer Songs freigegeben. Zu den Remixern gehören unter anderem der Bremer Dare Deep, der schon für Flo Mega und Samy Deluxe neue Versionen geschraubt hat. Oder Robar, ein Australier, der seit Jahren in Berlin wohnt und mit einem Remix der »Unsigned«-Künstlerin Phia die Idee zu dieser EP überhaupt erst anstieß: Was, wenn sich Musiker, die weitgehend unter dem Radar spielen, einfach gegenseitig hypen, als immer zu den Sternen zu schauen und allein um Aufmerksamkeit zu buhlen?
»Fritz Unsigned Remixed« ist kostenlos, aber hoffentlich nicht umsonst.
Fritz Unsigned Fritz Unsigned Remixed – EP
Free Download auf Bandcamp: fritzunsigned.bandcamp.com
Der Artikel erscheint in der M&R 4/2014, erhältlich ab dem 27. Juni 2014 am Kiosk, im Bahnhofsbuchhandel oder im Abonnement. Die Ausgabe können Sie auch im M&R-Shop bestellen.